Ermittlungspanne II: Vergessene Briefmarke gefährdet jahrelange Ermittlungen

AbhörmaßnahmeAuch der Staats­an­walt­schaft pas­sie­ren hin und wie­der klei­ne Miss­ge­schi­cke. Manch­mal kön­nen aber bereits kleins­te Feh­ler fata­le Fol­gen haben. Doch der Rei­he nach.

Will die Staats­an­walt­schaft heim­lich die Tele­fon­ge­sprä­che eines Ver­däch­ti­gen abhö­ren, bean­tragt sie beim zustän­di­gen Ermitt­lungs­rich­ter den Erlass eines soge­nann­ten TKÜ-Beschlus­ses. Die­ser Beschluss ent­hält in der Regel Namen und Anschrift des Betrof­fe­nen, gegen den sich die Maß­nah­me rich­tet sowie die Ruf­num­mer des zu über­wa­chen­den Anschlus­ses. Hat der Rich­ter den Beschluss erlas­sen, kommt ein Exem­plar in die Akte. Eine wei­te­re Aus­fer­ti­gung wird dann in der Regel von der Staats­an­walt­schaft an den Tele­fon­an­bie­ter des Beschul­dig­ten über­sandt. Die­ser ist nach § 110 Abs. 1 TKG als Betrei­ber dazu ver­pflich­tet, die tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen für die Über­wa­chung vor­zu­hal­ten. Der Beschul­dig­te selbst erfährt von alle­dem nichts.

So geschah es auch hier. Das Gericht erließ antrags­ge­mäß den TKÜ-Beschluss. Die Staats­an­walt­schaft tüte­te das Exem­plar des Abhör­be­schlus­ses für den Tele­fon­an­bie­ter in einen Umschlag und gab es in den Post­lauf. Aller­dings hat­te man ver­se­hent­lich ver­ges­sen, den Brief ord­nungs­ge­mäß zu fran­kie­ren. Da der Tele­fon­an­bie­ter die Annah­me der unfrei­en Brief­sen­dung ver­wei­ger­te, ging der Brief auf die Rei­se zurück zum Absen­der. Aller­dings war offen­bar weder auf dem Umschlag noch im Sicht­fens­ter die genaue Adres­se der Staats­an­walt­schaft als Absen­der zu lesen. So lan­de­te das Schrei­ben dann in der zustän­di­gen Brie­fer­mitt­lungs­zen­tra­le der Post, wo man den Brief öff­ne­te und nach Hin­wei­sen auf den Absen­der such­te. Sicher­lich ahnen Sie schon, was dann pas­sier­te: die ers­te Adres­se, die dem Bear­bei­ter ins Auge sprang, war die im TKÜ-Beschluss genann­te Adres­se des abzu­hö­ren­den Beschul­dig­ten. Pflicht­be­wusst adres­sier­te er das Schrei­ben sodann an den von ihm ermit­tel­ten (ver­meint­li­chen) Absen­der und nicht an die Staats­an­walt­schaft, die den Brief ursprüng­lich abge­schickt hat­te.

Kurz dar­auf lag der Abhör­be­schluss dann tat­säch­lich auch im Brief­kas­ten des Beschul­dig­ten, der sich ver­mut­lich nicht uner­heb­lich über die uner­war­te­te Post gefreut haben dürf­te. Die Staats­an­walt­schaft belausch­te den Beschul­dig­ten im Anschluss dar­an noch fast ein hal­bes Jahr lang. Die Aus­beu­te war – wen wundert’s – sehr über­schau­bar. Gehol­fen hat es dem Beschul­dig­ten im Ergeb­nis jedoch wenig. Er wur­de spä­ter ander­wei­tig über­führt und zu einer lang­jäh­ri­gen Haft­stra­fe ver­ur­teilt.