“Wenn der Postmann zweimal klingelt” heißt ein Filmdrama aus dem Jahr 1981. Heutzutage müsste es richtig eher heißen “Wenn der Postmann keinmal klingelt”. Das ist dann zwar kein Film mehr, aber für den ein oder anderen immer noch ein Drama. Fast jeder dürfte mittlerweile schon die Erfahrung mit Paketboten gemacht haben, die sich erst gar nicht mehr die Mühe machen, beim Empfänger zu klingeln, sondern direkt ein Abholkärtchen in den Briefkasten einwerfen.
Schlimmer als ein Paketbote, der das Paket lieber bei der nächsten Annahmestelle hinterlegt, statt es dem Empfänger persönlich auszuhändigen, ist aber der Paketbote beziehungsweise Briefzusteller, die die Sendung gleich ganz entsorgt. Sei es, weil er keine Lust zu arbeiten hat und das Päckchen oder die Briefe direkt in den Müll wirft oder weil er sich möglichweise selbst für den Inhalt des Paketes interessiert. In Anbetracht der Umstände, unter denen die Paketzusteller im Vergleich zu früher heute arbeiten, ist dies auch nicht wirklich verwunderlich. Es reicht mitunter schon der Blick auf die rostbelaubten, maroden Sprinter ohne jegliches Firmenlogo, mit denen manche Paktezusteller als Sub-Sub-Sub-Unternehmer im Auftrag von Firma XY (meist nur erkennbar am selbst ausgeruckten Zettel hinter der Windschutzscheibe) unterwegs sind, um die Post an den Mann und die Frau zu bringen. Scheinselbständigkeit und Hungerlohn tun gepaart mit einer geringen Hemmschwelle dann ihr Übriges und führen dazu, dass Pakete und Briefe nicht mehr dort ankommen, wo sie es eigentlich sollten. Jüngst berichtete der Kollege Will über im Müll entsorgte Briefpost im Saarland.
Den “allgemeinen Sendungsschwund” kommentierte bereits das Verwaltungsgericht Saarlouis in seinem Urteil vom 31.03.2010 (Az. 11 K 700/08) nicht ohne Grund mit gewisser Süffisanz (dort bezogen auf die Deutsche Post AG):
„Die Deutsche Post AG nimmt wie ihre Konkurrenten am Wirtschaftsleben teil. Angesichts dessen und mit Blick auf den durch die Konkurrenz aufgetretenen Wirtschaftlichkeitsdruck ist es nicht mehr gerechtfertigt, der Deutschen Post AG hinsichtlich der Zuverlässigkeit einen ansonsten nur Behörden entgegengebrachten Vertrauensvorschuss zuzubilligen. Im Gegenteil ist der Verlust von Briefsendungen im Bereich der Deutschen Post AG — wie allgemein bekannt — heutzutage weder unvorhersehbar noch ungewöhnlich (anormal) und daher bereits im Allgemeinen kein Fall höherer Gewalt mehr.“
Auch im Strafverfahren kann dieser Sendungsschwund von Bedeutung sein. Nehmen wir mal den Fall “Shiny Flakes”. Dort betrieb ein junger Mann einen regen Onlinehandel mit allerlei Drogen. Als die Polizei ihn enttarnt hatte, fand sie bei einer Hausdurchsuchung eine Bestellliste in Form einer Excel-Tabelle mit rund 14.000 Bestell- und Kundendaten. In der Tabelle hatte der Betreiber von “Shiny Flakes” aus Sicht der Ermittlungsbehörden feinsäuberlich Buch geführt und jede ausgelieferte Bestellung vermeintlich entsprechend dokumentiert. Natürlich wird ein großer Teil der Drogen-Bestellungen am Ende ihren Weg zum Empfänger gefunden haben. Aber eine Vielzahl von Lieferungen dürfte eben auch auf die oben beschriebene Weise auf dem Postweg “abhanden” gekommen sein. In diesen Fällen kam die Ware also nie beim Empfänger an. Dies hat juristisch dann zur Folge, dass es sich bei der Online-Bestellung lediglich um den Versuch eines verbotenen Erwerbs von Betäubungsmitteln handelt — sofern überhaupt nachweisbar ist, dass die Person, deren Daten in der Excel-Tabelle auftaucht die Drogen überhaupt selbst bestellt hat. Der Versuch einer Straftat kann und wird in der Regel deutlich milder bestraft, als die vollendete Tatbegehung. Leider scheinen aber immer noch einige Staatsanwälte von der Zuverlässigkeit des deutschen Postzustellwesens derart überzeugt zu sein, dass selbst in den aussichtslosesten in Fällen munter Strafbefehle beantragt und Anklagen erhoben werden.