
CelloGraff: Daniel Ihrke | rugby87.com
Seit einigen Jahren sieht man sie auch in Deutschland immer häufiger: Graffitikunst auf Folie. Dabei spannt der Künstler zwischen zwei festen Punkten eine Cellophanfolie und sprüht hierauf sein Graffito. Während sich klassisches Graffiti häufig auf Hauswänden wiederfindet, erschließt das sogenannte CelloGraff neue Räume. Der Künstler kann die Folie zwischen zwei beliebigen Punkten aufspannen und ist damit deutlich flexibler. Das CelloGraff bietet ihm die einmalige Möglichkeit, noch dichter an den Betrachter heranzurücken, indem er es dort installiert, wo herkömmliches Graffiti nicht angebracht werden kann.
Rechtslage zum herkömmlichen Graffiti:
Rund zehn Jahre ist es nun her, dass der Gesetzgeber mit dem sogenannten Graffiti-Bekämpfungsgesetz (offiziell: Neununddreißigstes Strafrechtsänderungsgesetz) den Straftatbestand der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) ausgeweitet hat. Davor war das Besprühen fremder Wände und Sachen nur dann strafbar, wenn darin auch ein Eingriff in die Sachsubstanz oder eine Funktionsbeeinträchtigung einherging. Lies sich das Graffiti jedoch – wenn auch mit einigem Aufwand – wieder entfernen, war der Tatbestand einer strafbaren Sachbeschädigung nicht erfüllt. Dies war dem Gesetzgeber ein Dorn im Auge, weshalb er im Jahr 2005 den sogenannten Graffiti-Tatbestand schuf. Danach macht sich strafbar, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert (§ 303 Abs. 2 StGB). Das Gesetz sieht hierfür eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vor. Hat der Sprayer fremde Sachen besprüht, die zum „öffentlichen Nutzen oder zur Verschönerung öffentlicher Wege, Plätze oder Anlagen dienen“, kann dies sogar den Tatbestand einer Gemeinschädlichen Sachbeschädigung nach § 304 StGB erfüllen. Hierunter fasst die Rechtsprechung beispielsweise das großflächige Besprühen von S‑Bahnen, da diese Sachen sein sollen, die dem öffentlichen Nutzen dienen. Der Strafrahmen einer Gemeinschädlichen Sachbeschädigung geht von einer Geldstrafe bis hin zu drei Jahren Haft.
Wer sich beim bemalen fremder Hauswände, S‑Bahnen oder Schilder erwischen lässt, kann als Ersttäter oft noch mit einer Einstellung des Verfahrens (ggf. gegen eine Geldauflage) rechnen. Ansonsten droht in der Regel eine Geldstrafe. Um sich wegen Graffiti eine Freiheitsstrafe einzuhandeln, bedarf es in der Regel eines recht konsequenten Ungehorsams.
Rechtslage zum CelloGraffiti

CelloGraff: Daniel Ihrke | rugby87.com
Das CelloGraff eröffnet nicht nur in künstlerischem Sinne neue Möglichkeiten, sondern schafft auch in rechtlichem Sinne neue Freiräume. Während das klassische Graffiti oft eine strafbare Sachbeschädigung darstellt, kann sich der CelloGraff-Künstler deutlich freier austoben. Da sich die besprühten Folien in der Regel wieder schnell und unkompliziert entfernen lassen, wird das Erscheinungsbild der fremden Sache, an der die Folie angebracht ist, im Regelfall nur unerheblich und vorübergehend verändert sein. Damit erfüllt der CelloGraff-Künstler gerade nicht den Tatbestand einer strafbaren Sachbeschädigung und schlägt dem Gesetzgeber ein Schnippchen. Dennoch gibt es auf für den CelloGraff-Künstler einige gesetzliche Vorschriften, die er zumindest kennen sollte. Denn mitunter fühlen sich übersensible Bürger, Sicherheitsdienste oder Beamte auch durch CelloGraff belästigt und werden dann alle Möglichkeitenausschöpfen, die ihnen das Gesetz vermeintlich bietet. Daher finden sich nachfolgend die wichtigsten rechtlichen Punkte zum Thema CelloGraff.
- CelloGraff ist im Regelfall keine Sachbeschädigung nach § 303 StGB, da dadurch keine fremde Sache in ihrer Substanz beeinträchtigt oder ihr Erscheinungsbild nicht nur vorübergehend verändert wird. Gleiches gilt für die Gemeinschädliche Sachbeschädigung nach § 304 StGB. Es sollte darauf geachtet werden, dass fremde Gegenstände auch nicht durch Sprühnebel in Mitleidenschaft gezogen werden.
- Wird die Cellophanfolie auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen angebracht, könnten findige Behördensachbearbeiter hierin eine straßenrechtliche Sondernutzung sehen, für die nach dem jeweiligen Straßen- oder Wegegesetz eine Sondernutzungserlaubnis erforderlich ist. Dies wird in vielen Städten bei Straßenkunst (z. B. Musizieren, StreetArt, Pflastermalerei, etc.) so praktiziert. Wer ohne diese Sondernutzungserlaubnis tätig wird, handelt dann – zumindest nach Ansicht der Behörden – ordnungswidrig und kann Adressat eines Bußgeldbescheides sein. Geht es dem Künstler darum, Passanten um sein Werk zu scharen und dabei gegebenenfalls noch einen Hut kreisen zu lassen, wird man zumindest unter Zugrundelegung der Ansicht vieler Gerichte in der Tat eine erlaubnispflichtige Sondernutzung bejahen müssen. In jedem Fall muss man jedoch eine Einzelfallbetrachtung vornehmen. Aus rechtlicher Sicht spricht nichts dagegen, einfach eine entsprechende Sondernutzungserlaubnis bei der zuständigen Behörde zu beantragen, da im Hinblick auf die in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes verbriefte Kunstfreiheit ein grundsätzlicher Anspruch auf Erteilung einer solchen Erlaubnis besteht. Allerdings erheben viele Städte Gebühren und knüpfen eine Vielzahl bürokratischer Auflagen an die Erlaubnis, was viele Künstler davon abhalten wird, sich eine förmliche Erlaubnis zu besorgen.
- Beim Anbringen der Folie sollte darauf geachtet werden, dass diese den Straßenverkehr nicht gefährdet. Sie sollte also beispielsweise nicht quer über einen Radweg gespannt werden oder eine Stolperfalle für Fußgänger sein. Dies könnte sonst je nach Fallgestaltung einen Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr darstellen, der nach § 315b StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. Kommt ein Passant oder ein Radfahrer durch die Folie zu Sturz und verletzt sich, sieht sich der Sprayer schnell mit dem Vorwurf einer (fahrlässigen) Körperverletzung konfrontiert. Dies gilt auch für den Sprühnebel der Farbdosen. Aus eigener Erfahrung wird es der ein oder andere Sprayer sicher kennen, dass sich mancher Passant bereits durch den Geruch der Farbe an seinem Körper verletzt fühlt mit Schadensersatz und Polizei droht.
- Gerne wird die CelloGraff-Kunst auch in Parks und Grünanlagen angebracht. Wir würden nicht in Deutschland leben, wenn es nicht auch hierfür detaillierte gesetzliche Vorschriften gäbe. So gibt es in den meisten Ländern und Kommunen entsprechende Regelungen zur Nutzung. In Hamburg gibt es beispielsweise das Gesetz über Grün- und Erholungsanlagen. Nach § 8 dieses Gesetzes handelt ordnungswidrig, wer ohne die erforderliche Erlaubnis die öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen über den Rahmen ihrer Zweckbestimmung hinaus benutzt. Welchem Zweck die Grünanlagen zu dienen bestimmt sind, ist dann wieder Auslegungssache. Auch hier besteht also das Risiko, dass ein Ordnungshüter die Ansicht vertritt, das Anbringen von CelloGraffiti gehe über die übliche Nutzung im Rahmen des sogenannten Gemeingebrauchs hinaus, weshalb eine Genehmigung erforderlich sei. Beabsichtigt der Künstler ohnehin, das CelloGraff wieder selbst zu entfernen, dürften die meisten Ordnungshüter ein gesundes Augenmaß beweisen und ein Auge zudrücken. Es gibt jedoch noch einen weiteren – fast schon kuriosen – Ordnungswidrigkeitentatbestand. In Hamburg gibt es beispielsweise die sogenannte Baumschutzverordnung (BaumSchutzVO). Diese aus dem Jahre 1948 stammenden Regelungen sollen dem Erhalt und der Pflege des Baumbestandes dienen. Allerdings verbietet es § 2 BaumSchutzVO auch, „Bäume oder Hecken in ihrer Wirkung als Zierde und Belebung des Landschaftsbildes zu beeinträchtigen“. Da Kunst bekanntlich Geschmackssache ist, könnte sich auch hier wieder ein Ordnungshüter in seinem ästhetischen Wohlbefinden gestört fühlen und die Wirkung des Baumes als Zierde und Belebung des Landschaftsbildes durch das CelloGraff als beeinträchtigt sehen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass das CelloGraff in der Regel nur kurze Zeit angebracht ist und nicht die nötige Intensität besitzt, eine tatsächliche Beeinträchtigung der Pflanzenzierde darzustellen. Auch strafrechtsdogmatisch ist überaus fraglich, ob die äußerst auslegungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale “Wirkung des Baumes als Zierde” und “Belebung des Landschaftsbildes” sowie eine damit verbundene Beeinträchtigung überhaupt justiziabel sind und damit Anknüpfungspunkt für eine mögliche Geldbuße sein können. Dies darf bezweifelt werden.
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Foto: Daniel Ihrke | rugby87.com | Facebook
Beim Anbringen von CelloGraff in Bahnhöfen, S‑Bahnen, öffentlichen Gebäuden oder auf Privatgrundstücken ist daran zu denken, dass hier das Hausrecht des jeweiligen Berechtigten gilt. Zwar stellt das Betreten und Anbringen eines CelloGraffs in öffentlich zugänglichen Bereichen grundsätzlich noch keinen Hausfriedensbruch dar, da es an dem Tatbestandsmerkmal des “Eindringens” fehlt. Allerdings kann dem CelloGraff-Künstler vom Hausrechtsinhaber ein Hausverbot erteilt werden, an das er sich dann zu halten hat. Tut er dies nicht, kann er sich wegen Hausfriedensbruchs strafbar machen. Beim Anbringen von CelloGraffiti an fremdem Privateigentum oder auf fremdem Privatgelände kann der Eigentümer vom Künstler darüber hinaus auch nach zivilrechtlichen Vorschriften Unterlassung verlangen. Bemüht er hierfür einen Anwalt, kann dies den Sprayer schnell ein paar hundert Euro kosten.
- Was die Motivwahl anbelangt, so sind auch dem CelloGraff kaum rechtliche Grenzen gesetzt. Dass das öffentliche Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) oder verbotener Vereine (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG) strafbar ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Wer nicht nur CelloGraffiti betreibt, sondern hin und wieder auch eine Hauswand beglückt, sollte jedoch auch daran denken, dass in vielen Städten bei der Polizei mittlerweile eine eigene Sonderkommission „Graffiti“ existiert, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Straftaten im Zusammenhang mit illegalem Graffiti aufzudecken. Es sollte sich daher auch jeder CelloGraff-Sprayer stets fragen, ob das, was er da auf die Folie aufbringt, Rückschlüsse auf illegale Bombings oder Pieces zulässt. Es wäre für den betroffenen Künstler sicher mehr als ärgerlich, wenn ein legales CelloGraff den Ermittlern einen Grund für eine Hausdurchsuchung (für die übrigens bereits ein konkretisierter Anfangsverdacht ausreicht) liefert und sie dabei dann auch noch auf das Blackbook mit den gesammelten Werken des Künstlers stoßen.
Fazit

Mehr zu dem Berliner Graffitikünstler Daniel Ihrke (rugby87) und seinen Werken finden Sie auf seiner Webseite rugby87.com, auf seiner Facebook-Seite oder in seinem Youtube-Kanal.
CelloGraffiti ist eine interessante Variante des herkömmlichen Graffitis, die dieses sicherlich nicht ersetzen wird, es aber kreativ ergänzt. In jedem Fall ist es für den Sprayer auch aus rechtlicher Sicht eine gute Alternative, seine Kunst weiterhin kreativ, aber weitestgehend ohne strafrechtliches Risiko auszuüben. Dies gilt insbesondere, weil das CelloGraffiti nicht nur sprichwörtlich neue Räume erschließt, die dem herkömmlichem Graffiti bisher nicht zugänglich waren. Auch wenn beim CelloGraff bisher noch einige Rechtsfragen im Hinblick auf die Genehmigungsbedürftigkeit ungeklärt sind, dürfte das dieser Kunstform keinen Abbruch tun. Denn wo kein Kläger, da kein Richter. Alleine der Umstand, dass sich ein CelloGraffiti unkompliziert und schnell wieder entfernen lässt, dürfte dafür sorgen, dass sich auch weiterhin kaum Gerichte mit dieser Thematik beschäftigen müssen. Und wie auch schon beim herkömmlichen Graffiti wird der Künstler in den meisten Fällen ebenso schnell wie er auftauchte wieder verschwunden sein.
Die wesentlichsten Punkte dieses Blogbeitrags haben wir noch einmal in einem kleinen PDF-Dokument unter dem Titel “Rechtliche Situation von CelloGraff” zusammengefasst, das zum Download bereit steht.
One thought on “Graffiti auf Folie — Ist CelloGraff legal?”