Graffiti auf Folie — Ist CelloGraff legal?

cellograff_rugby87_03

Cel­lo­Graff: Dani­el Ihrke | rugby87.com

Seit eini­gen Jah­ren sieht man sie auch in Deutsch­land immer häu­fi­ger: Graf­fi­ti­kunst auf Folie. Dabei spannt der Künst­ler zwi­schen zwei fes­ten Punk­ten eine Cel­lo­phan­fo­lie und sprüht hier­auf sein Graf­fi­to. Wäh­rend sich klas­si­sches Graf­fi­ti häu­fig auf Haus­wän­den wie­der­fin­det, erschließt das soge­nann­te Cel­lo­Graff neue Räu­me. Der Künst­ler kann die Folie zwi­schen zwei belie­bi­gen Punk­ten auf­span­nen und ist damit deut­lich fle­xi­bler. Das Cel­lo­Graff bie­tet ihm die ein­ma­li­ge Mög­lich­keit, noch dich­ter an den Betrach­ter her­an­zu­rü­cken, indem er es dort instal­liert, wo her­kömm­li­ches Graf­fi­ti nicht ange­bracht wer­den kann.

Rechts­la­ge zum her­kömm­li­chen Graf­fi­ti:

Rund zehn Jah­re ist es nun her, dass der Gesetz­ge­ber mit dem soge­nann­ten Graf­fi­ti-Bekämp­fungs­ge­setz (offi­zi­ell: Neun­und­drei­ßigs­tes Straf­rechts­än­de­rungs­ge­setz) den Straf­tat­be­stand der Sach­be­schä­di­gung (§ 303 StGB) aus­ge­wei­tet hat. Davor war das Besprü­hen frem­der Wän­de und Sachen nur dann straf­bar, wenn dar­in auch ein Ein­griff in die Sach­sub­stanz oder eine Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung ein­her­ging. Lies sich das Graf­fi­ti jedoch – wenn auch mit eini­gem Auf­wand – wie­der ent­fer­nen, war der Tat­be­stand einer straf­ba­ren Sach­be­schä­di­gung nicht erfüllt. Dies war dem Gesetz­ge­ber ein Dorn im Auge, wes­halb er im Jahr 2005 den soge­nann­ten Graf­fi­ti-Tat­be­stand schuf. Danach macht sich straf­bar, wer unbe­fugt das Erschei­nungs­bild einer frem­den Sache nicht nur uner­heb­lich und nicht nur vor­über­ge­hend ver­än­dert (§ 303 Abs. 2 StGB). Das Gesetz sieht hier­für eine Geld­stra­fe oder Frei­heits­stra­fe von bis zu zwei Jah­ren vor. Hat der Spray­er frem­de Sachen besprüht, die zum „öffent­li­chen Nut­zen oder zur Ver­schö­ne­rung öffent­li­cher Wege, Plät­ze oder Anla­gen die­nen“, kann dies sogar den Tat­be­stand einer Gemein­schäd­li­chen Sach­be­schä­di­gung nach § 304 StGB erfül­len. Hier­un­ter fasst die Recht­spre­chung bei­spiels­wei­se das groß­flä­chi­ge Besprü­hen von S‑Bahnen, da die­se Sachen sein sol­len, die dem öffent­li­chen Nut­zen die­nen. Der Straf­rah­men einer Gemein­schäd­li­chen Sach­be­schä­di­gung geht von einer Geld­stra­fe bis hin zu drei Jah­ren Haft.

Wer sich beim bema­len frem­der Haus­wän­de, S‑Bahnen oder Schil­der erwi­schen lässt, kann als Erst­tä­ter oft noch mit einer Ein­stel­lung des Ver­fah­rens (ggf. gegen eine Geld­auf­la­ge) rech­nen. Ansons­ten droht in der Regel eine Geld­stra­fe. Um sich wegen Graf­fi­ti eine Frei­heits­stra­fe ein­zu­han­deln, bedarf es in der Regel eines recht kon­se­quen­ten Unge­hor­sams.

Rechts­la­ge zum Cel­lo­Graf­fi­ti

CelloGraff by rugby87

Cel­lo­Graff: Dani­el Ihrke | rugby87.com

Das Cel­lo­Graff eröff­net nicht nur in künst­le­ri­schem Sin­ne neue Mög­lich­kei­ten, son­dern schafft auch in recht­li­chem Sin­ne neue Frei­räu­me. Wäh­rend das klas­si­sche Graf­fi­ti oft eine straf­ba­re Sach­be­schä­di­gung dar­stellt, kann sich der Cel­lo­Graff-Künst­ler deut­lich frei­er aus­to­ben. Da sich die besprüh­ten Foli­en in der Regel wie­der schnell und unkom­pli­ziert ent­fer­nen las­sen, wird das Erschei­nungs­bild der frem­den Sache, an der die Folie ange­bracht ist, im Regel­fall nur uner­heb­lich und vor­über­ge­hend ver­än­dert sein. Damit erfüllt der Cel­lo­Graff-Künst­ler gera­de nicht den Tat­be­stand einer straf­ba­ren Sach­be­schä­di­gung und schlägt dem Gesetz­ge­ber ein Schnipp­chen. Den­noch gibt es auf für den Cel­lo­Graff-Künst­ler eini­ge gesetz­li­che Vor­schrif­ten, die er zumin­dest ken­nen soll­te. Denn mit­un­ter füh­len sich über­sen­si­ble Bür­ger, Sicher­heits­diens­te oder Beam­te auch durch Cel­lo­Graff beläs­tigt und wer­den dann alle Mög­lich­kei­ten­aus­schöp­fen, die ihnen das Gesetz ver­meint­lich bie­tet. Daher fin­den sich nach­fol­gend die wich­tigs­ten recht­li­chen Punk­te zum The­ma Cel­lo­Graff. Wei­ter­le­sen

OLG München: Keine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG bei dinglichem Arrest im Wege der Rückgewinnungshilfe (4 Ws 074/13)

ABGELEHNTMit Beschluss vom 30.07.2013 (Az. 4 Ws 074/13) hat sich nun auch das OLG Mün­chen erst­mals aus­drück­lich zu der Fra­ge posi­tio­niert, ob ein Ver­tei­di­ger, der sei­nen Man­dan­ten im Rah­men eines straf­pro­zes­sua­len Arres­tes zur Rück­ge­win­nungs­hil­fe ver­tre­ten hat, einen gebüh­ren­recht­li­chen Anspruch nach Nr. 4142 VV RVG erwirbt. Dies ver­neint das OLG Mün­chen mit der Begrün­dung, der Gebüh­ren­tat­be­stand nach Nr. 4142 VV RVG bezie­he sich aus­drück­lich auf Tätig­kei­ten im Rah­men von Maß­nah­men, die dar­auf gerich­tet sei­en, dem Betrof­fe­nen den Gegen­stand end­gül­tig zu ent­zie­hen und dadurch einen end­gül­ti­gen Ver­mö­gens­ver­lust zu bewir­ken. Der Arrest zur Rück­ge­win­nungs­hil­fe die­ne jedoch ledig­lich der vor­läu­fi­gen Siche­rung bür­ger­recht­li­cher Scha­dens­er­satz­an­sprü­che und fal­le somit nicht unter die in Nr. 4142 VV RVG auf­ge­führ­ten Tätig­kei­ten.

Gleich­zei­tig nutzt das OLG Mün­chen die Gele­gen­heit, sich klar­stel­lend zu sei­nem Beschluss vom 16.08.2010 (Az. 4 Ws 114/10) zu äußern. Die­ser Beschluss war bis­her von Befür­wor­tern als Argu­ment für einen Gebüh­ren­an­spruch nach Nr. 4142 VV RVG bei Tätig­kei­ten im Rah­men eines straf­pro­zes­sua­len Arres­tes zur Rück­ge­win­nungs­hil­fe her­an­ge­zo­gen wor­den (so bei­spiels­wei­se OLG Stutt­gart, Beschluss vom 22.04.2014 — Az. 1 Ws 212/13).

Miss­lich ist die Ent­schei­dung des OLG Mün­chen ins­be­son­de­re für Ver­tei­di­ger, die in umfang­rei­chen Wirt­schafts­straf­ver­fah­ren als Pflicht­ver­tei­di­ger tätig sind. Bei der­ar­ti­gen Ver­fah­ren sind im Rah­men eines sol­chen Arres­tes oft sehr umfang­rei­che Leis­tun­gen zu erbrin­gen, die neben der Ver­tei­di­gung gegen den eigent­li­chen Tat­vor­wurf einen wei­te­ren nicht uner­heb­li­chen Teil der Tätig­keit des Straf­ver­tei­di­gers aus­ma­chen. Aller­dings ist der Umstand, dass die­se Tätig­kei­ten nicht geson­dert ver­gü­tet wer­den, dann jedoch gege­be­nen­falls bei der Bemes­sung einer bean­trag­ten Pausch­ge­bühr maß­geb­lich zu berück­sich­ti­gen (vgl. OLG Karls­ru­he, Beschluss vom 09.12.2014 – Az. 2 AR 32/14).

Nach­ste­hend fin­den Sie die Ent­schei­dung des Ober­lan­des­ge­richts Mün­chen im Voll­text:

Wei­ter­le­sen

Ermittlungspanne II: Vergessene Briefmarke gefährdet jahrelange Ermittlungen

AbhörmaßnahmeAuch der Staats­an­walt­schaft pas­sie­ren hin und wie­der klei­ne Miss­ge­schi­cke. Manch­mal kön­nen aber bereits kleins­te Feh­ler fata­le Fol­gen haben. Doch der Rei­he nach.

Will die Staats­an­walt­schaft heim­lich die Tele­fon­ge­sprä­che eines Ver­däch­ti­gen abhö­ren, bean­tragt sie beim zustän­di­gen Ermitt­lungs­rich­ter den Erlass eines soge­nann­ten TKÜ-Beschlus­ses. Die­ser Beschluss ent­hält in der Regel Namen und Anschrift des Betrof­fe­nen, gegen den sich die Maß­nah­me rich­tet sowie die Ruf­num­mer des zu über­wa­chen­den Anschlus­ses. Hat der Rich­ter den Beschluss erlas­sen, kommt ein Exem­plar in die Akte. Eine wei­te­re Aus­fer­ti­gung wird dann in der Regel von der Staats­an­walt­schaft an den Tele­fon­an­bie­ter des Beschul­dig­ten über­sandt. Die­ser ist nach § 110 Abs. 1 TKG als Betrei­ber dazu ver­pflich­tet, die tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen für die Über­wa­chung vor­zu­hal­ten. Der Beschul­dig­te selbst erfährt von alle­dem nichts.

So geschah es auch hier. Das Gericht erließ antrags­ge­mäß den TKÜ-Beschluss. Die Staats­an­walt­schaft tüte­te das Exem­plar des Abhör­be­schlus­ses für den Tele­fon­an­bie­ter in einen Umschlag und gab es in den Post­lauf. Aller­dings hat­te man ver­se­hent­lich ver­ges­sen, den Brief ord­nungs­ge­mäß zu fran­kie­ren. Da der Tele­fon­an­bie­ter die Annah­me der unfrei­en Brief­sen­dung ver­wei­ger­te, ging der Brief auf die Rei­se zurück zum Absen­der. Aller­dings war offen­bar weder auf dem Umschlag noch im Sicht­fens­ter die genaue Adres­se der Staats­an­walt­schaft als Absen­der zu lesen. So lan­de­te das Schrei­ben dann in der zustän­di­gen Brie­fer­mitt­lungs­zen­tra­le der Post, wo man den Brief öff­ne­te und nach Hin­wei­sen auf den Absen­der such­te. Sicher­lich ahnen Sie schon, was dann pas­sier­te: die ers­te Adres­se, die dem Bear­bei­ter ins Auge sprang, war die im TKÜ-Beschluss genann­te Adres­se des abzu­hö­ren­den Beschul­dig­ten. Pflicht­be­wusst adres­sier­te er das Schrei­ben sodann an den von ihm ermit­tel­ten (ver­meint­li­chen) Absen­der und nicht an die Staats­an­walt­schaft, die den Brief ursprüng­lich abge­schickt hat­te.

Kurz dar­auf lag der Abhör­be­schluss dann tat­säch­lich auch im Brief­kas­ten des Beschul­dig­ten, der sich ver­mut­lich nicht uner­heb­lich über die uner­war­te­te Post gefreut haben dürf­te. Die Staats­an­walt­schaft belausch­te den Beschul­dig­ten im Anschluss dar­an noch fast ein hal­bes Jahr lang. Die Aus­beu­te war – wen wundert’s – sehr über­schau­bar. Gehol­fen hat es dem Beschul­dig­ten im Ergeb­nis jedoch wenig. Er wur­de spä­ter ander­wei­tig über­führt und zu einer lang­jäh­ri­gen Haft­stra­fe ver­ur­teilt.

Wenn die Steuerfahndung mit der Ramme kommt

GeneralschlüsselÜber­le­gen Sie sich künf­tig gut, wel­che “Epp” Sie auf Ihrem Han­dy instal­lie­ren. Denn die­se kann zu unge­woll­ten Schä­den an ihrer Haus­tü­re füh­ren.

In einem umfang­rei­chen Steu­er­straf­ver­fah­ren mut­maß­ten Steu­er­fahn­dung und Lan­des­kri­mi­nal­amt, dass der Beschul­dig­te sei­ne Daten auf einem exter­nen Ser­ver spei­cher­te. Dies schlos­sen sie aus einer abge­fan­ge­nen E‑Mail. Die­ser E‑Mail war die Rech­nung einer IT-Fir­ma bei­gefügt, die unter ande­rem den Pos­ten „Kon­fi­gu­ra­ti­on Remo­te-Zugang Synolo­gy NAS Sys­tem“ ent­hielt. Die inter­ne “EDV-Stel­le” erläu­ter­te den Ermitt­lern, dass über einen sol­chen exter­nen Com­pu­ter­zu­gang mit Hil­fe eines iPho­nes, iPads oder über ande­re Medi­en auf die Daten von außen zuge­grif­fen und die­se gelöscht wer­den könn­ten.

Da man davon aus­ging, dass der Beschul­dig­te mit einer bevor­ste­hen­den Durch­su­chung rech­ne­te, bestand nach Ansicht der Steu­er­fahn­dung die Gefahr,

…dass bei einer Durch­su­chung der Steu­er­fahn­dung der Ver­däch­ti­ge über einen exter­nen Zugriff z. B. I‑Phone mit ent­spre­chend pro­gram­mier­ter Epp, beweis­re­le­van­te Daten von dem Com­pu­ter löscht” [Schreib­feh­ler im Ori­gi­nal].

So ver­zich­te­te man um 05:00 Uhr mor­gens dann kon­se­quen­ter­wei­se dar­auf, beim Beschul­dig­ten zu klin­geln und öff­ne­te die Haus­tü­re direkt mit dem gro­ßen “Gene­ral­schlüs­sel”:

Um einen Ver­lust beweis­re­le­van­ter Daten zu ver­hin­dern, muss­te inso­weit schnell in das Objekt ein­ge­drun­gen wer­den, um dem Ver­däch­ti­gen einen mög­li­chen Zugriff auf Löschungs­mög­lich­kei­ten zu ver­weh­ren. Inso­fern erfolg­te die Öff­nung des Objekts durch die Beam­ten des USK mit der ‘Ram­me’ “.

Wenn Sie also Steu­ern hin­ter­zie­hen und eine Netz­werk­fest­plat­te (NAS) besit­zen oder einen Clou­dan­bie­ter wie Drop­box oder iCloud benut­zen, schlie­ßen Sie Ihre Haus­tü­re nachts bes­ser nicht ab, son­dern las­sen Sie den Schlüs­sel lie­ber gleich außen im Schloss ste­cken.

Ermittlungspanne I: Wie man (k)eine Cloud durchsucht

Cloud-Durchsuchung

Außer Spe­sen nix gewe­sen!”

In einem gro­ßen Steu­er­straf­ver­fah­ren ermit­tel­te die Staats­an­walt­schaft gegen über 100 Per­so­nen in der gesam­ten Bun­des­re­pu­blik. Eine die­ser Per­so­nen rück­te in den enge­ren Fokus der Ermitt­ler, da man in ihr einen der Haupt­tä­ter sah. Die Staats­an­walt­schaft erwirk­te einen rich­ter­li­chen Beschluss nach § 100a StPO, um die Tele­fo­ne des Ver­däch­ti­gen abhö­ren und sei­nen E‑Mailverkehr über­wa­chen zu dür­fen. Das Baye­ri­sche Lan­des­kri­mi­nal­amt klink­te sich sodann lau­schend in alle Tele­fon­ge­sprä­che des Beschul­dig­ten mit ein und ließ sich sich sämt­li­che sei­ner E‑Mails zulei­ten.

Eine der vom LKA abge­fisch­ten E‑Mails ent­hielt die Rech­nung einer IT-Fir­ma. Die­se Rech­nung ent­hielt unter ande­rem den Pos­ten: „Kon­fi­gu­ra­ti­on Remo­te-Zugang Synolo­gy NAS Sys­tem“. Dies ließ die Ermitt­ler hell­hö­rig wer­den. Da sie mit den Begrif­fen „Remo­te-Zugang“ und „Synolo­gy NAS Sys­tem“ wohl nichts anfan­gen konn­ten, goo­gel­ten sie wahr­schein­lich ein wenig. Dabei müs­sen sie dann über den Begriff „Cloud“ gestol­pert sein. Scharf­sin­nig wur­de dann wohl kom­bi­niert, dass die Fir­ma Synolo­gy ja Cloud-Com­pu­ting anbie­te und der Beschul­dig­te folg­lich wohl sei­ne Daten online in der Cloud von Synolo­gy spei­che­re.

Der geneig­te Leser wird beim Lesen der Begrif­fe „Synolo­gy“ und „Cloud“ bereits kurz gestutzt haben und sich nun mit einem leicht fei­xen­den Grin­sen aus­ma­len kön­nen, was dann pas­sier­te.

Rich­tig: die Staats­an­walt­schaft erwirk­te bei der zustän­di­gen Ermitt­lungs­rich­te­rin tat­säch­lich einen Durch­su­chungs­be­schluss nach § 103 StPO (Durch­su­chung bei Unbe­tei­lig­ten), um die Geschäfts­räu­me der Fir­ma Synolo­gy in Düs­sel­dorf zu durch­su­chen und dort sodann die Daten sicher­zu­stel­len, die der Beschul­dig­te in der von Synolo­gy (ver­meint­lich) betrie­be­nen Cloud abge­legt hat­te. Im Wege der Amts­hil­fe wur­de sodann die Steu­er­fahn­dung Düs­sel­dorf, flan­kiert durch zwei „IT-kun­di­ge“ Beam­te (O‑Ton Durch­su­chungs­be­richt) des Lan­des­kri­mi­nal­amts Nord­rhein-West­fa­len damit beauf­tragt, die Cloud – tech­nisch also die Ser­ver – von Synolo­gy in Düs­sel­dorf zu durch­su­chen. Was die Beam­ten jedoch vor Ort vor­fan­den, waren weder Cloud noch Ser­ver, son­dern ledig­lich ein hal­bes Dut­zend ver­dutz­ter Büro­mit­ar­bei­ter.

Im soge­nann­ten Beweis­si­che­rungs­be­richt des LKA NRW wur­de der (von vor­ne­her­ein aus­sichts­lo­se) Ein­satz dann auch ent­spre­chend akten­kun­dig gemacht. Man habe fest­ge­stellt, dass die Fir­ma Synolo­gy soge­nann­te NAS (Net­work Atta­ched Sto­rage) Sys­te­me ver­trei­be und den Begriff „Cloud“ dabei im Zusam­men­hang mit der Mög­lich­keit benut­ze, über das Inter­net von über­all auf der Welt aus auf die Netz­werk­fest­plat­te in den hei­mi­schen vier Wän­den zuzu­grei­fen. Der Absatz ende­te mit einem fett­ge­druck­ten: „Die Fir­ma ist kein Anbie­ter von ver­teil­tem Online-Spei­cher­platz.

Bei der zeit­glei­chen Durch­su­chung der Woh­nung des Beschul­dig­ten wur­de dann doch tat­säch­lich eine Synolo­gy Disk­sta­ti­on auf­ge­fun­den.

Wel­che Leh­ren die Straf­ver­fol­ger aus die­ser Ermitt­lungs­pan­ne gezo­gen haben, ist nicht bekannt. Ver­mut­lich kei­ne. Aller­dings macht die­ser Fall eines deut­lich: wer sei­ne Daten online in der Cloud (sei es bei Drop­box, iCloud, etc.) spei­chert, soll­te immer vor Augen haben, dass sei­ne Daten auch dort nicht ohne wei­te­res vor neu­gie­ri­gen Bli­cken geschützt sind. Ste­hen die Cloud-Ser­ver in Deutsch­land, haben Ermitt­lungs­be­hör­den die Mög­lich­keit, ganz ein­fach vor Ort bei dem jewei­li­gen Cloud­s­to­rage­an­bie­ter eine Durch­su­chung nach § 103 StPO durch­zu­füh­ren und gege­be­nen­falls den dort gela­ger­ten Daten­be­stand des Beschul­dig­ten sicher­zu­stel­len. Aus Grün­den der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit spie­geln die Straf­ver­fol­ger die rele­van­ten Daten dann vom Ser­ver und stel­len ledig­lich in Aus­nah­me­fäl­len gleich den gan­zen Ser­ver des Clou­dan­bie­ters sicher. Oft sind die frag­li­chen Daten jedoch phy­sisch über meh­re­re Ser­ver­stand­or­te ver­teilt. Hier ist oft pro­ble­ma­tisch, ob die Straf­ver­fol­ger recht­zei­tig alle Stand­or­te ermit­teln kön­nen, um einer Löschung zuvor zu kom­men. Der Gesetz­ge­ber hat jedoch mit § 110 Abs. 3 StPO auf der­ar­ti­ge Fäl­le reagiert. So kann die Staats­an­walt­schaft bei­spiels­wei­se bei dro­hen­dem Beweis­mit­tel­ver­lust eine Haus­durch­su­chung beim Beschul­dig­ten durch­füh­ren und über des­sen hoch­ge­fah­re­nen PC auf des­sen Daten im Loka­len Netz­werk oder aber eben auch in der Cloud zugrei­fen und die­se sichern. Hier hat sich schon man­cher Beschul­dig­te schwarz­ge­är­gert, weil er Fest­plat­ten­ver­schlüs­se­lung eigent­lich immer für unnö­ti­gen Nerd-Koko­lo­res gehal­ten hat.

Juris­tisch pro­ble­ma­tisch wird ein Daten­zu­griff über § 110 Abs. 3 StPO jedoch immer dann, wenn die Cloud­ser­ver nicht auf deut­schem Grund und Boden ste­hen (was bei vie­len Clou­dan­bie­tern der Fall sein dürf­te), da die Ermitt­ler in der Regel nicht ohne ein ent­spre­chen­des Rechts­hil­fe­er­su­chen auf frem­den Hoheits­ge­biet tätig sein dür­fen – auch wenn dies nur vir­tu­ell geschieht.

In dem hier geschil­der­ten Fall führ­te die her­aus­ra­gen­de IT-Kom­pe­tenz der Ermitt­ler übri­gens nicht nur zum ver­geb­li­chen Ver­such einer Cloud-Durch­su­chung, son­dern brock­te dem Beschul­dig­ten auch eine kaput­te Haus­tür ein. Mehr dazu dann in Teil 2.

BGH: Dumm gelaufen — Bieter bekommt Auto bei Abbruch der ebay-Auktion für 1,- €

Symbolbild

Dumm gelau­fen: Ver­käu­fer ver­kauft Auto unge­wollt für 1,- € (Sym­bol­fo­to)

Dumm gelau­fen für den Ver­käu­fer!” — anders kann man es tref­fen­der nicht beschrei­ben. Der Ver­käu­fer hat­te in einer ebay-Auk­ti­on einen Gebraucht­wa­gen ein­ge­stellt. Die Auk­ti­on begann mit einem Min­dest­ge­bot von 1,- €. Zehn Minu­ten spä­ter fand sich auch gleich ein Inter­es­sent, der ein Maxi­mal­ge­bot von 555,55 € abgab. Da sich jedoch noch kein wei­te­rer Mit­bie­ter an der Auk­ti­on betei­lig­te, lag das aktu­el­le Gebot für das Kraft­fahr­zeug bei 1,- €.

Rund sie­ben Stun­den nach Auk­ti­ons­be­ginn brach der Ver­käu­fer die Auk­ti­on ab und teil­te dem ein­zi­gen bis­he­ri­gen Bie­ter mit, dass er außer­halb der ebay-Auk­ti­on einen Käu­fer für den Wagen gefun­den habe, der den Wagen für 4.200,- € kau­fen wol­le. Der Bie­ter kön­ne den Wagen jedoch ger­ne für 4.500,- € haben. Da der Bie­ter nicht ein­wil­lig­te, gab der Ver­käu­fer den Wagen ander­wei­tig in Zah­lung. Der ursprüng­li­che Bie­ter ärger­te sich über den Ver­käu­fer und ver­lang­te von ihm kur­zer­hand Scha­dens­er­satz wegen Nicht­er­fül­lung des sei­ner Ansicht wirk­sam geschlos­se­nen Kauf­ver­trags über das Auto zu einem Kauf­preis zu 1,- €. Da der PKW einen tat­säch­li­chen Wert von 5.250,- € habe, ver­lang­te er vom Käu­fer die Zah­lung eine Betra­ges in Höhe von 5.249,- €. Der Ver­käu­fer wei­ger­te sich.

In der ers­ten Instanz gab das Land­ge­richt dem Bie­ter Recht. Zwi­schen Bie­ter und Ver­käu­fer sei auf­grund der vor­zei­ti­gen Been­di­gung der Auk­ti­on ein Kauf­ver­trag zu einem Kauf­preis von 1,- € zustan­de gekom­men. Da der Ver­käu­fer eine Lie­fe­rung ver­wei­gert habe, schul­de er dem Käu­fer nun Scha­dens­er­satz in Höhe der Dif­fe­renz zwi­schen dem Kauf­preis von 1,- € und dem tat­säch­li­chen Wert des PKW. Der Ver­käu­fer ging in die Beru­fung und ver­lor erneut.

Nun muss­te sich der Bun­des­ge­richts­hof mit der Sache beschäf­ti­gen (BGH, Urteil vom 12.11.2014 — Az. VIII ZR 42/14). Die­ser watsch­te den Ver­käu­fer mit sei­nem Urteil nun ein wei­te­res Mal ab. Weder sei das Miss­ver­hält­nis zwi­schen Kauf­preis und tat­säch­li­chem Wert des Fahr­zeugs ent­schei­dend, noch lie­ge ein Rechts­miss­brauch des Bie­ters vor.  Es mache viel­mehr gera­de den Reiz einer Inter­net­auk­ti­on aus, den Auk­ti­ons­ge­gen­stand zu einem “Schnäpp­chen­preis” erwer­ben zu kön­nen, wäh­rend umge­kehrt der Ver­käu­fer die Chan­ce wahr­nimmt, einen für ihn vor­teil­haf­ten Preis im Wege des gegen­sei­ti­gen Über­bie­tens zu erzie­len.  Dass das Fahr­zeug letzt­lich zu einem Preis von 1,- € ver­kauft wur­de, beruht auf der freie Ent­schei­dung des Ver­käu­fers. Schließ­lich habe er das Risi­ko eines für ihn ungüns­ti­gen Auk­ti­ons­ver­laufs mit einem Start­prei­ses von 1,- € selbst gesetzt. Von der Mög­lich­keit, ein höhe­res Min­dest­ge­bot fest­zu­le­gen, hat er kei­nen Gebrauch gemacht. Dass sich das Risi­ko eines schlech­ten Geschäfts dann auch tat­säch­lich rea­li­siert hat, ist eben­falls dem Ver­käu­fer selbst zuzu­schrei­ben, da er die Auk­ti­on ohne recht­fer­ti­gen­den Grund vor­zei­tig abge­bro­chen hat­te.

Die Ver­kaufs­be­din­gun­gen bei ebay-Auk­tio­nen sehen vor, dass der Bie­ter den Zuschlag bekommt, der bei Been­di­gung der Auk­ti­on das höchs­te Gebot abge­ge­ben hat. Dass die Auk­ti­on vor­zei­tig durch einen nicht gerecht­fer­tig­ten Abbruch been­det wur­de, ändert dar­an nichts. Inter­es­sant ist nun natür­lich für vie­le ebay-Ver­käu­fer die Fra­ge, wann eine Auk­ti­on aus­nahms­wei­se vor­zei­tig abge­bro­chen wer­den kann, ohne dass ein Kauf­ver­trag mit dem zum Zeit­punkt des Abbruchs Höchst­bie­ten­den zustan­de kommt. Die Recht­spre­chung legt die ent­spre­chen­den ebay-Bedin­gun­gen so aus, dass ein vor­zei­ti­ger Auk­ti­ons­ab­bruch immer dann zuläs­sig ist, wenn bei­spiels­wei­se ein Fall der §§ 119 ff. BGB vor­liegt oder der Ver­lust des Kauf­ge­gen­stan­des durch Dieb­stahl oder Sach­be­schä­di­gung zu bekla­gen ist.

Die Ent­schei­dun­gen des BGH und der Vor­in­stan­zen sind zu begrü­ßen. End­lich ist auch in der Recht­spre­chung ange­kom­men, wie das “Sys­tem” ebay funk­tio­niert. Bis­her gab es immer wie­der haar­sträu­ben­de Ent­schei­dun­gen zu Online-Auk­tio­nen, die damit hof­fent­lich Geschich­te sind. Her­vor­zu­he­ben ist hier als beson­de­res Nega­tiv­bei­spiel das Urteil des AG Pforz­heim vom 26.06.2007 (Az. 8 Cs 84 Js 5040/07). Das Gericht hat­te einen ebay-Bie­ter wegen Heh­le­rei ver­ur­teilt, weil die­ser bei ebay für 671,- € ein gestoh­le­nes Navi­ga­ti­ons­ge­rät mit einem eigent­li­chen Wert von 2.137,- € erstei­gert hat­te und auf­grund des gerin­gen Min­dest­start­ge­bo­tes von nur 1,- € zumin­dest bil­li­gend in Kauf genom­men habe, dass das Navi gestoh­len sei. Das Land­ge­richt Karls­ru­he hat die Ent­schei­dung des AG Pforz­heim in der Beru­fung glück­li­cher­wei­se post­wen­dend auf­ge­ho­ben und den Ange­klag­ten frei­ge­spro­chen. Das LG Karls­ru­he (Urteil vom 28.09.2007, Az. Ns 84 Js 5040/07 — 18 AK 136/07) stell­te kon­se­quent klar, dass ein Start­preis von ledig­lich 1,- € kein taug­li­ches Indiz dafür sein kann, dass der Bie­ter es für mög­lich hält, Die­bes­gut zu erstei­gern. Glei­ches gilt für den Umstand, wenn der Bie­ter am Ende der Auk­ti­on den Zuschlag zu einem Preis bekommt, der deut­lich unter dem eigent­li­chen Wert des Kauf­ge­gen­stan­des liegt. Schließ­lich hat der Bie­ter bis auf sein eige­nes Min­dest­ge­bot kei­ner­lei Ein­fluss auf den letzt­li­chen Kauf­preis, der von vie­len Fak­to­ren bestimmt wird.

Rentner erschießt Einbrecher – LG Stade verurteilt ihn wegen Totschlags

Symbolbild

Sym­bol­bild

Seit knapp vier Jah­ren erregt der Fall des mitt­ler­wei­le 81-jäh­ri­gen Rent­ners aus Sit­ten­sen, der im Dezem­ber 2010 einen jugend­li­chen Ein­bre­cher erschoss, die straf­recht­li­chen Gemü­ter. Heu­te fiel am Land­ge­richt Sta­de das Urteil. Ernst B. wur­de wegen Tot­schlags zu einer Frei­heits­stra­fe von neun Mona­ten ver­ur­teilt, die zur Bewäh­rung aus­ge­setzt wur­de.

Der Ange­klag­te war am Abend des 13. Dezem­ber 2010 von fünf Per­so­nen auf sei­nem Grund­stück über­fal­len und zur Her­aus­ga­be von Wert­ge­gen­stän­den gezwun­gen wor­den. Als die fünf Täter in Fol­ge eines aus­ge­lös­ten Alarms die Flucht antra­ten und über das Grund­stück rann­ten, schoss der Rent­ner in deren Rich­tung und ver­letz­te einen der Täter töd­lich.

Rein kom­men, das Geld machen und wie­der raus­ge­hen! ” — so soll ein Kom­pli­ze des erschos­se­nen Mit­tä­ters das Ziel der fünf­köp­fi­gen Ein­bre­cher­ban­de for­mu­liert haben. Das Vor­ha­ben ende­te bekann­ter­ma­ßen anders.

Das Ermitt­lungs­ver­fah­ren gegen den Rent­ner war Mit­te 2011 ein­ge­stellt wor­den. Nach Ansicht der Staats­an­walt­schaft hat­te Ernst B. in Todes­angst gehan­delt und dabei  zumin­dest irr­tüm­lich eine Not­wehr­si­tua­ti­on ange­nom­men. Nach­dem die Fami­lie des Getö­te­ten Beschwer­de gegen die Ein­stel­lung des Ermitt­lungs­ver­fah­rens ein­ge­legt hat­te, wur­den die Ermitt­lun­gen wie­der auf­ge­nom­men und Ankla­ge gegen Ernst B. erho­ben. Das Land­ge­richt Sta­de lehn­te die Eröff­nung des Ver­fah­rens man­gels hin­rei­chen­den Tat­ver­dachts ab. Die Neben­klä­ger leg­ten sofor­ti­ge Beschwer­de ein und hat­ten damit Erfolg. Das Ober­lan­des­ge­richt Cel­le ent­schied, dass die Vor­aus­set­zun­gen für die Eröff­nung des Haupt­ver­fah­rens vor­lä­gen. Die 2. Gro­ße Straf­kam­mer des Land­ge­richts Sta­de ver­han­del­te seit April 2014 und kam nun zu dem genann­ten Urteil.

Her­vor­zu­he­ben ist, dass neben der Ver­tei­di­gung auch die Staats­an­walt­schaft auf Frei­spruch plä­diert hat­te. Die Staats­an­walt­schaft ist damit ihrer ursprüng­li­chen Auf­fas­sung gefolgt und hat den Todes­schuss des Rent­ners nicht als Tot­schlag klas­si­fi­ziert. Das Gericht hin­ge­gen folg­te der Rechts­auf­fas­sung der Neben­kla­ge und ver­ur­teil­te den Rent­ner. Es steht zu ver­mu­ten, dass das letz­te Wort in die­ser Straf­sa­che noch nicht gespro­chen ist.

BGH bestätigt: fünfeinhalb Jahre Haft für vorgetäuschte Vergewaltigung

Opferabo 2.0Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH, Beschluss vom 22.10.2014 — 2 StR 62/14) hat die Ver­ur­tei­lung einer 50 Jah­re alten Frau zu fünf Jah­ren und sechs Mona­ten Frei­heits­stra­fe bestä­tigt. Die Leh­re­rin hat­te einen Kol­le­gen wahr­heits­wid­rig beschul­digt, sie in einem Raum der Schu­le, an der bei­de arbei­te­ten, ver­ge­wal­tigt zu haben. Der Mann war dar­auf­hin zu einer Haft­stra­fe von fünf Jah­ren ver­ur­teilt wor­den. Er muss­te sei­ne Stra­fe bis zum letz­ten Tag absit­zen. In ein nor­ma­les Leben fand er danach nicht mehr zurück. Zwar wur­de er am 05.07.2011 in einem Wie­der­auf­nah­me­ver­fah­ren frei­ge­spro­chen, er starb jedoch ein knap­pes Jahr spä­ter am 29.06.2012.

In einem auf­se­hen­er­re­gen­den Pro­zess hat das Land­ge­richt Darm­stadt die Frau, die durch die Falsch­be­schul­di­gung eine soge­nann­te Frei­heits­be­rau­bung in mit­tel­ba­rer Täter­schaft began­gen hat­te, sodann im Sep­tem­ber 2013 zu fünf­ein­halb Jah­ren Gefäng­nis ver­ur­teilt (LG Darm­stadt, Urteil vom 13.09.2013 — 15 KLs 331 Js 7379/08). Die von der Ange­klag­ten ein­ge­leg­te Revi­si­on gegen die­ses Urteil hat der BGH nun ver­wor­fen. Das Urteil gegen die Frau ist damit rechts­kräf­tig.

Dass der­ar­ti­ge Fäl­le von Falsch­be­schul­di­gun­gen lei­der kei­ne Ein­zel­fäl­le sind, ist spä­tes­tens seit der cau­sa Kachel­mann auch einer brei­te­ren Öffent­lich­keit deut­lich gewor­den. Den­noch geschieht dies immer wie­der. So berich­te­te bei­spiels­wei­se die Kol­le­gin Braun erst heu­te von einem Fall in Ham­burg, in dem das ver­meint­li­che Opfer glück­li­cher­wei­se recht früh zur Wahr­heit zurück­kehr­te und kein Unschul­di­ger ins Visier der Ermitt­ler geriet.

Nach­trag: Selbst­ver­ständ­lich ist dem Kom­men­tar von Paul R. bei­zu­pflich­ten, der anmerkt, dass im Fall Kachel­mann eine Falsch­be­zich­ti­gung nicht rechts­kräf­tig fest­ge­stellt wur­de. Den­noch hat gera­de die­ser pro­mi­nen­te Fall dazu bei­getra­gen, die Pro­ble­ma­tik vor­ge­täusch­ter Ver­ge­wal­ti­gun­gen ins Bewusst­sein einer brei­ten Öffent­lich­keit zu rücken.

Steuerhinterziehung und Insolvenz: die Uhr tickt unaufhörlich!

InsolvenzantragBis­lang war es mög­lich, auch mit Steu­er­schul­den, die aus einer Steu­er­hin­ter­zie­hung stam­men, in die Insol­venz zu gehen. Denn bei Schul­den aus einer Steu­er­hin­ter­zie­hung han­delt es gera­de nicht um eine Ver­bind­lich­keit aus einer uner­laub­ten Hand­lung im Sin­ne von § 302 Nr. 1 InsO, die von einer Rest­schuld­be­frei­ung aus­ge­nom­men ist. Wer bis­lang mit aus einer Steu­er­hin­ter­zie­hung stam­men­den Schul­den in die Insol­venz gehen woll­te, muss­te — je nach Fall­ge­stal­tung und um ganz auf der siche­ren Sei­te zu sein — die drei­jäh­ri­ge Frist aus § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor Stel­lung des Insol­venz­an­trags ein­hal­ten. Dann war es dem Finanz­amt ver­wehrt, einen Antrag auf Ver­sa­gung der Rest­schuld­be­frei­ung wegen der Steu­er­hin­ter­zie­hung zu stel­len.

Am 01. Juli 2014 tritt die zwei­te Stu­fe der Insol­venz­rechts­re­form in Kraft. Sie bringt für Per­so­nen, die Schul­den wegen einer Steu­er­hin­ter­zie­hung haben, weit­rei­chen­de Kon­se­quen­zen mit sich. Die neue Fas­sung von § 302 Nr. 1 InsO sieht vor, dass ab dem 01.07.2014 Schul­den aus einem Steu­er­schuld­ver­hält­nis von der Rest­schuld­be­frei­ung aus­ge­nom­men sind, sofern der Schuld­ner im Zusam­men­hang damit wegen einer Steu­er­straf­tat nach den §§ 370, 373 oder 374 der Abga­ben­ord­nung rechts­kräf­tig ver­ur­teilt wor­den ist.

Wer also Schul­den aus einer Steu­er­hin­ter­zie­hung hat und eine Insol­venz in Betracht zieht, hat nun noch exakt einen Tag Zeit, sei­nen Insol­venz­an­trag ein­zu­rei­chen und damit noch in den Genuss der alten Rechts­la­ge zu kom­men.

In einer Zwick­müh­le ste­cken hin­ge­gen die Per­so­nen, deren Steu­er­hin­ter­zie­hung noch kei­ne drei Jah­re zurück­liegt. Sie ris­kie­ren mit einer Antrags­stel­lung vor Ablauf der drei Jah­re, dass das Finanz­amt einen Antrag auf Ver­sa­gung der Rest­schuld­be­frei­ung nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO stellt. War­ten sie hin­ge­gen die drei Jah­re ab, greift das neue Recht und sie kön­nen die Schul­den aus der Steu­er­hin­ter­zie­hung ohne­hin nicht mit­tels Insol­venz abschüt­teln. Daher wird es in den meis­ten Fäl­len auch für die­se Per­so­nen ange­zeigt sein, den Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens noch schnell vor dem 01. Juli 2014 ein­zu­rei­chen. Denn die neue Rechts­la­ge ver­hin­dert auf jeden Fall, dass sie die Schul­den aus der Steu­er­straf­tat los­wer­den. Bei einem Antrag nach bis­he­ri­ger Rechts­la­ge ist immer noch ein aus­drück­li­cher Antrag des Finanz­amts not­wen­dig. In die­sem Zusam­men­hang ist umstrit­ten, ob das Finanz­amt über­haupt einen sol­chen Antrag nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO stel­len darf. Wäh­rend die Zivil­recht­spre­chung dies durch­aus bejaht, wird dies von der Finanz­recht­spre­chung mehr­heit­lich ver­neint. Es ist daher bei Antrag­stel­lung nach altem Recht, aber vor Ablauf der Drei­jah­res­frist, in Betracht zu zie­hen, das Finanz­amt mit einer vor­beu­gen­den Unter­las­sungs­kla­ge unter Ver­weis auf die ein­schlä­gi­ge Finanz­recht­spre­chung an einer ent­spre­chen­den Antrags­stel­lung zu hin­dern.

Auf­grund der Kom­ple­xi­tät der Rechts­la­ge soll­ten Sie einen Insol­venz­an­trag gera­de bei Steu­er­schul­den aus einer Steu­er­hin­ter­zie­hung nicht ohne vor­he­ri­ge anwalt­li­che Bera­tung stel­len. Ver­su­chen Sie im Hin­blick auf die mor­gen bevor­ste­hen­de Ände­rung der Rechts­la­ge, gege­be­nen­falls noch schnell einen Ter­min bei dem Fach­an­walt für Insol­venz­recht Ihres Ver­trau­ens zu bekom­men.

Vermieter gepackt und kurzerhand vor die Tür gesetzt

Vie­le Ver­mie­ter las­sen sich in ihren Miet­ver­trä­gen das Recht ein­räu­men, die ver­mie­te­ten Räu­me in Abspra­che mit dem Mie­ter bei­spiels­wei­se ein­mal im Jahr besich­ti­gen zu dür­fen. Ob der­ar­ti­ge Klau­seln wirk­sam sind, sei an die­ser Stel­le dahin­ge­stellt. Fol­gen­den Fall hat­te nun der Bun­des­ge­richts­hof zu ent­schei­den (BGH, Urteil vom 04.06.2014 – Az. VIII ZR 289/13):

Mie­ter M. hat von Ver­mie­te­rin V. ein Haus gemie­tet. In die­sem Haus soll­ten in eini­gen Räu­men Rauch­mel­der ange­bracht wer­den. Dies­be­züg­lich war zwi­schen Mie­ter und Ver­mie­te­rin abge­spro­chen, dass die Ver­mie­te­rin die instal­lier­ten Rauch­mel­der inspi­zie­ren durf­te. Dies tat sie auch. Aller­dings beließ sie es nicht dabei, son­dern nahm die Gele­gen­heit zum Anlass, noch ein wenig in den übri­gen Räum­lich­kei­ten des Mie­ters her­um­zu­schnüf­feln nach dem Rech­ten zu sehen. Dies woll­te wie­der­um der Mie­ter nicht und for­der­te die Ver­mie­te­rin auf, dies zu unter­las­sen. Aller­dings lies sich Else Kling die Ver­mie­te­rin nicht davon abbrin­gen und räum­te sogar Gegen­stän­de von einer Fens­ter­bank ab, um den inne­ren Fens­ter­rah­men in Augen­schein neh­men zu kön­nen. Da sie kei­ner­lei Anstal­ten mach­te, der Auf­for­de­rung des Mie­ters nach­zu­kom­men und das Haus zu ver­las­sen, hob der Mie­ter die Ver­mie­te­rin hoch und setz­te sie kur­zer­hand vor die Tür.

Das woll­te wie­der­um die Ver­mie­te­rin nicht auf sich sit­zen las­sen und kün­dig­te dem Mie­ter wegen die­ses “tät­li­chen Angriffs” auf ihre Per­son post­wen­dend den Miet­ver­trag. Da sich der Mie­ter nicht anschick­te, das Haus zu räu­men, erhob die Ver­mie­te­rin Räu­mungs­kla­ge. Das Amts­ge­richt gab dem Mie­ter Recht. Das Land­ge­richt beur­teil­te den Fall in der Beru­fung anders und gab der Räu­mungs­kla­ge statt.

Der BGH gab nun dem Mie­ter Recht. Indem die Ver­mie­te­rin der Auf­for­de­rung des Mie­ters, das Haus zu ver­las­sen, nicht nach­kam, habe sie des­sen Haus­recht ver­letzt. Sie tra­ge des­halb zumin­dest eine Mit­schuld an dem nach­fol­gen­den Gesche­hen, die das Land­ge­richt rechts­feh­ler­haft nicht berück­sich­tigt habe. Ins­be­son­de­re im Hin­blick auf das vor­an­ge­gan­ge­ne  pflicht­wid­ri­ge Ver­hal­ten der Klä­ge­rin, stel­le das mit der Kün­di­gung bean­stan­de­te Ver­hal­ten des Mie­ters — selbst wenn er damit, wie das Land­ge­richt in der Beru­fung ange­nom­men hat, die Gren­zen erlaub­ter Not­wehr (gering­fü­gig) über­schrit­ten haben soll­te — jeden­falls kei­ne der­art gra­vie­ren­de Pflicht­ver­let­zung dar, dass der Klä­ge­rin des­halb die wei­te­re Fort­set­zung des Miet­ver­hält­nis nicht zuge­mu­tet wer­den könn­te. Auch von einer Ver­trags­ver­let­zung von einem Gewicht, das ein berech­tig­tes Inter­es­se der Ver­mie­te­rin an der Been­di­gung des Miet­ver­trags recht­fer­ti­ge, kön­ne unter die­sen Umstän­den nicht aus­ge­gan­gen wer­den.