Das neue “Kuttenverbot” stellt nicht nur Rocker unter Generalverdacht

Am 16. März 2017 trat eine Ände­rung des Ver­eins­ge­set­zes in Kraft, die in erheb­li­chem Maße in die Grund­rech­te der Motor­rad­clubs bezie­hungs­wei­se ihrer Mit­glie­der ein­greift und die Axt an eine zen­tra­le Säu­le sub­kul­tu­rel­ler Iden­ti­tät anlegt: die Rocker­kut­te. Bereits die Bera­tung des Geset­zes im Bun­des­tag zeigt, was die eigent­li­chen Moti­ve sind, die hin­ter dem neu­en Kenn­zei­chen­ver­bot ste­hen.  Die teil­wei­se haar­sträu­ben­den Begrün­dun­gen, mit denen das Gesetz befür­wor­tet wur­de, run­det die­ses Bild ab (z. B. “Haben Sie schon mal einem Rocker in die Augen gekuckt? Ich schon!” — Quel­le: Bun­des­tags-TV Minu­te: 01:11).

Wir hal­ten das “Kut­ten­ver­bot” für grund­rechts­wid­rig und die Argu­men­te des Gesetz­ge­bers für vor­ge­scho­ben. Das neue Kenn­zei­chen­ver­bot stellt tau­sen­de Biker in unver­hält­nis­mä­ßi­ger Wei­se unter Gene­ral­ver­dacht und ist letzt­lich nichts ande­res als ein in Gesetz gegos­se­nes Vor­ur­teil. Der­zeit betrifft das neue Kenn­zei­chen­ver­bot über­wie­gend nur die gro­ßen 1%er-Clubs wie den Gre­mi­um MC, den Hells Angels MC oder den Ban­di­dos MC und ihre Unter­stüt­zer­clubs. Aller­dings kann das Kenn­zei­chen­ver­bot in Zukunft jeden belie­bi­gen Ver­ein tref­fen, der über mehr als nur einen Orts­ver­band ver­fügt.

BGH: Dumm gelaufen — Bieter bekommt Auto bei Abbruch der ebay-Auktion für 1,- €

Symbolbild

Dumm gelau­fen: Ver­käu­fer ver­kauft Auto unge­wollt für 1,- € (Sym­bol­fo­to)

Dumm gelau­fen für den Ver­käu­fer!” — anders kann man es tref­fen­der nicht beschrei­ben. Der Ver­käu­fer hat­te in einer ebay-Auk­ti­on einen Gebraucht­wa­gen ein­ge­stellt. Die Auk­ti­on begann mit einem Min­dest­ge­bot von 1,- €. Zehn Minu­ten spä­ter fand sich auch gleich ein Inter­es­sent, der ein Maxi­mal­ge­bot von 555,55 € abgab. Da sich jedoch noch kein wei­te­rer Mit­bie­ter an der Auk­ti­on betei­lig­te, lag das aktu­el­le Gebot für das Kraft­fahr­zeug bei 1,- €.

Rund sie­ben Stun­den nach Auk­ti­ons­be­ginn brach der Ver­käu­fer die Auk­ti­on ab und teil­te dem ein­zi­gen bis­he­ri­gen Bie­ter mit, dass er außer­halb der ebay-Auk­ti­on einen Käu­fer für den Wagen gefun­den habe, der den Wagen für 4.200,- € kau­fen wol­le. Der Bie­ter kön­ne den Wagen jedoch ger­ne für 4.500,- € haben. Da der Bie­ter nicht ein­wil­lig­te, gab der Ver­käu­fer den Wagen ander­wei­tig in Zah­lung. Der ursprüng­li­che Bie­ter ärger­te sich über den Ver­käu­fer und ver­lang­te von ihm kur­zer­hand Scha­dens­er­satz wegen Nicht­er­fül­lung des sei­ner Ansicht wirk­sam geschlos­se­nen Kauf­ver­trags über das Auto zu einem Kauf­preis zu 1,- €. Da der PKW einen tat­säch­li­chen Wert von 5.250,- € habe, ver­lang­te er vom Käu­fer die Zah­lung eine Betra­ges in Höhe von 5.249,- €. Der Ver­käu­fer wei­ger­te sich.

In der ers­ten Instanz gab das Land­ge­richt dem Bie­ter Recht. Zwi­schen Bie­ter und Ver­käu­fer sei auf­grund der vor­zei­ti­gen Been­di­gung der Auk­ti­on ein Kauf­ver­trag zu einem Kauf­preis von 1,- € zustan­de gekom­men. Da der Ver­käu­fer eine Lie­fe­rung ver­wei­gert habe, schul­de er dem Käu­fer nun Scha­dens­er­satz in Höhe der Dif­fe­renz zwi­schen dem Kauf­preis von 1,- € und dem tat­säch­li­chen Wert des PKW. Der Ver­käu­fer ging in die Beru­fung und ver­lor erneut.

Nun muss­te sich der Bun­des­ge­richts­hof mit der Sache beschäf­ti­gen (BGH, Urteil vom 12.11.2014 — Az. VIII ZR 42/14). Die­ser watsch­te den Ver­käu­fer mit sei­nem Urteil nun ein wei­te­res Mal ab. Weder sei das Miss­ver­hält­nis zwi­schen Kauf­preis und tat­säch­li­chem Wert des Fahr­zeugs ent­schei­dend, noch lie­ge ein Rechts­miss­brauch des Bie­ters vor.  Es mache viel­mehr gera­de den Reiz einer Inter­net­auk­ti­on aus, den Auk­ti­ons­ge­gen­stand zu einem “Schnäpp­chen­preis” erwer­ben zu kön­nen, wäh­rend umge­kehrt der Ver­käu­fer die Chan­ce wahr­nimmt, einen für ihn vor­teil­haf­ten Preis im Wege des gegen­sei­ti­gen Über­bie­tens zu erzie­len.  Dass das Fahr­zeug letzt­lich zu einem Preis von 1,- € ver­kauft wur­de, beruht auf der freie Ent­schei­dung des Ver­käu­fers. Schließ­lich habe er das Risi­ko eines für ihn ungüns­ti­gen Auk­ti­ons­ver­laufs mit einem Start­prei­ses von 1,- € selbst gesetzt. Von der Mög­lich­keit, ein höhe­res Min­dest­ge­bot fest­zu­le­gen, hat er kei­nen Gebrauch gemacht. Dass sich das Risi­ko eines schlech­ten Geschäfts dann auch tat­säch­lich rea­li­siert hat, ist eben­falls dem Ver­käu­fer selbst zuzu­schrei­ben, da er die Auk­ti­on ohne recht­fer­ti­gen­den Grund vor­zei­tig abge­bro­chen hat­te.

Die Ver­kaufs­be­din­gun­gen bei ebay-Auk­tio­nen sehen vor, dass der Bie­ter den Zuschlag bekommt, der bei Been­di­gung der Auk­ti­on das höchs­te Gebot abge­ge­ben hat. Dass die Auk­ti­on vor­zei­tig durch einen nicht gerecht­fer­tig­ten Abbruch been­det wur­de, ändert dar­an nichts. Inter­es­sant ist nun natür­lich für vie­le ebay-Ver­käu­fer die Fra­ge, wann eine Auk­ti­on aus­nahms­wei­se vor­zei­tig abge­bro­chen wer­den kann, ohne dass ein Kauf­ver­trag mit dem zum Zeit­punkt des Abbruchs Höchst­bie­ten­den zustan­de kommt. Die Recht­spre­chung legt die ent­spre­chen­den ebay-Bedin­gun­gen so aus, dass ein vor­zei­ti­ger Auk­ti­ons­ab­bruch immer dann zuläs­sig ist, wenn bei­spiels­wei­se ein Fall der §§ 119 ff. BGB vor­liegt oder der Ver­lust des Kauf­ge­gen­stan­des durch Dieb­stahl oder Sach­be­schä­di­gung zu bekla­gen ist.

Die Ent­schei­dun­gen des BGH und der Vor­in­stan­zen sind zu begrü­ßen. End­lich ist auch in der Recht­spre­chung ange­kom­men, wie das “Sys­tem” ebay funk­tio­niert. Bis­her gab es immer wie­der haar­sträu­ben­de Ent­schei­dun­gen zu Online-Auk­tio­nen, die damit hof­fent­lich Geschich­te sind. Her­vor­zu­he­ben ist hier als beson­de­res Nega­tiv­bei­spiel das Urteil des AG Pforz­heim vom 26.06.2007 (Az. 8 Cs 84 Js 5040/07). Das Gericht hat­te einen ebay-Bie­ter wegen Heh­le­rei ver­ur­teilt, weil die­ser bei ebay für 671,- € ein gestoh­le­nes Navi­ga­ti­ons­ge­rät mit einem eigent­li­chen Wert von 2.137,- € erstei­gert hat­te und auf­grund des gerin­gen Min­dest­start­ge­bo­tes von nur 1,- € zumin­dest bil­li­gend in Kauf genom­men habe, dass das Navi gestoh­len sei. Das Land­ge­richt Karls­ru­he hat die Ent­schei­dung des AG Pforz­heim in der Beru­fung glück­li­cher­wei­se post­wen­dend auf­ge­ho­ben und den Ange­klag­ten frei­ge­spro­chen. Das LG Karls­ru­he (Urteil vom 28.09.2007, Az. Ns 84 Js 5040/07 — 18 AK 136/07) stell­te kon­se­quent klar, dass ein Start­preis von ledig­lich 1,- € kein taug­li­ches Indiz dafür sein kann, dass der Bie­ter es für mög­lich hält, Die­bes­gut zu erstei­gern. Glei­ches gilt für den Umstand, wenn der Bie­ter am Ende der Auk­ti­on den Zuschlag zu einem Preis bekommt, der deut­lich unter dem eigent­li­chen Wert des Kauf­ge­gen­stan­des liegt. Schließ­lich hat der Bie­ter bis auf sein eige­nes Min­dest­ge­bot kei­ner­lei Ein­fluss auf den letzt­li­chen Kauf­preis, der von vie­len Fak­to­ren bestimmt wird.

Vermieter gepackt und kurzerhand vor die Tür gesetzt

Vie­le Ver­mie­ter las­sen sich in ihren Miet­ver­trä­gen das Recht ein­räu­men, die ver­mie­te­ten Räu­me in Abspra­che mit dem Mie­ter bei­spiels­wei­se ein­mal im Jahr besich­ti­gen zu dür­fen. Ob der­ar­ti­ge Klau­seln wirk­sam sind, sei an die­ser Stel­le dahin­ge­stellt. Fol­gen­den Fall hat­te nun der Bun­des­ge­richts­hof zu ent­schei­den (BGH, Urteil vom 04.06.2014 – Az. VIII ZR 289/13):

Mie­ter M. hat von Ver­mie­te­rin V. ein Haus gemie­tet. In die­sem Haus soll­ten in eini­gen Räu­men Rauch­mel­der ange­bracht wer­den. Dies­be­züg­lich war zwi­schen Mie­ter und Ver­mie­te­rin abge­spro­chen, dass die Ver­mie­te­rin die instal­lier­ten Rauch­mel­der inspi­zie­ren durf­te. Dies tat sie auch. Aller­dings beließ sie es nicht dabei, son­dern nahm die Gele­gen­heit zum Anlass, noch ein wenig in den übri­gen Räum­lich­kei­ten des Mie­ters her­um­zu­schnüf­feln nach dem Rech­ten zu sehen. Dies woll­te wie­der­um der Mie­ter nicht und for­der­te die Ver­mie­te­rin auf, dies zu unter­las­sen. Aller­dings lies sich Else Kling die Ver­mie­te­rin nicht davon abbrin­gen und räum­te sogar Gegen­stän­de von einer Fens­ter­bank ab, um den inne­ren Fens­ter­rah­men in Augen­schein neh­men zu kön­nen. Da sie kei­ner­lei Anstal­ten mach­te, der Auf­for­de­rung des Mie­ters nach­zu­kom­men und das Haus zu ver­las­sen, hob der Mie­ter die Ver­mie­te­rin hoch und setz­te sie kur­zer­hand vor die Tür.

Das woll­te wie­der­um die Ver­mie­te­rin nicht auf sich sit­zen las­sen und kün­dig­te dem Mie­ter wegen die­ses “tät­li­chen Angriffs” auf ihre Per­son post­wen­dend den Miet­ver­trag. Da sich der Mie­ter nicht anschick­te, das Haus zu räu­men, erhob die Ver­mie­te­rin Räu­mungs­kla­ge. Das Amts­ge­richt gab dem Mie­ter Recht. Das Land­ge­richt beur­teil­te den Fall in der Beru­fung anders und gab der Räu­mungs­kla­ge statt.

Der BGH gab nun dem Mie­ter Recht. Indem die Ver­mie­te­rin der Auf­for­de­rung des Mie­ters, das Haus zu ver­las­sen, nicht nach­kam, habe sie des­sen Haus­recht ver­letzt. Sie tra­ge des­halb zumin­dest eine Mit­schuld an dem nach­fol­gen­den Gesche­hen, die das Land­ge­richt rechts­feh­ler­haft nicht berück­sich­tigt habe. Ins­be­son­de­re im Hin­blick auf das vor­an­ge­gan­ge­ne  pflicht­wid­ri­ge Ver­hal­ten der Klä­ge­rin, stel­le das mit der Kün­di­gung bean­stan­de­te Ver­hal­ten des Mie­ters — selbst wenn er damit, wie das Land­ge­richt in der Beru­fung ange­nom­men hat, die Gren­zen erlaub­ter Not­wehr (gering­fü­gig) über­schrit­ten haben soll­te — jeden­falls kei­ne der­art gra­vie­ren­de Pflicht­ver­let­zung dar, dass der Klä­ge­rin des­halb die wei­te­re Fort­set­zung des Miet­ver­hält­nis nicht zuge­mu­tet wer­den könn­te. Auch von einer Ver­trags­ver­let­zung von einem Gewicht, das ein berech­tig­tes Inter­es­se der Ver­mie­te­rin an der Been­di­gung des Miet­ver­trags recht­fer­ti­ge, kön­ne unter die­sen Umstän­den nicht aus­ge­gan­gen wer­den.

Schweißperlen auf der Stirn: wenn die E‑Mail versehentlich an 270 Empfänger gesendet wird

MailheaderVer­mut­lich ist es dem ein oder ande­ren schon ein­mal pas­siert: man hat eine E‑Mail ver­fasst, klickt ver­se­hent­lich auf den fal­schen But­ton und schon lan­det die E‑Mail beim fal­schen Emp­fän­ger. Im schlimms­ten Fall hat man die E‑Mail ver­se­hent­lich gar an sein gan­zes Adress­buch ver­schickt.

Wenn der Inhalt der E‑Mail dann auch noch ver­trau­li­cher Natur war, fol­gen die ganz gro­ßen Schweiß­per­len auf der Stirn. Nicht ganz so schlimm – aber eben­so ärger­lich – ist es, wenn man ein Rund­schrei­ben an sein kom­plet­tes Adress­buch ver­fasst und dabei ver­se­hent­lich sämt­li­che Emp­fän­ger-Adres­sen in das Emp­fän­ger-Feld ein­fügt. Was dann pas­siert, weiß sogar Wiki­pe­dia:

[pullquote]Jedem Adres­sa­ten wer­den auch alle ande­ren E‑Mail-Adres­sen mitgeteilt.[/pullquote]

Den­noch ist das nicht nur rein daten­schutz­recht­lich bedenk­lich. Bei Rechts­an­wäl­ten bei­spiels­wei­se wer­den die Man­dan­ten in der Regel kein Inter­es­se dar­an haben, dass ande­re über­haupt von dem Man­dats­ver­hält­nis erfah­ren. Um eine sol­che Daten­pan­ne zu ver­hin­dern, kann man sich diver­ser tech­ni­scher Mög­lich­kei­ten bedie­nen. So bie­tet es sich bei­spiels­wei­se an, das Adress­buch nicht mehr direkt in sei­nem E‑Mail-Pro­gramm zu ver­wal­ten, son­dern extern (bei­spiels­wei­se in dem ver­wen­de­ten Kanz­lei­pro­gramm). Auch gibt es das ein oder ande­re Add-On, das einen vor end­gül­ti­gem Ver­sand der E‑Mail warnt, wenn im Hea­der der Mail sämt­li­che Emp­fän­ger­adres­sen auf­tau­chen.

Wenn eine sol­che – wenn auch zuge­ge­ben recht klei­ne – Pan­ne aus­ge­rech­net bei einem Inter­net­gi­gan­ten pas­siert, ver­wun­dert das in Anbe­tracht der tech­ni­schen Schutz­mög­lich­kei­ten dann schon ein wenig. Heu­te erreich­te unse­re Kanz­lei per E‑Mail eine Ein­la­dung eines Such­ma­schi­nen-Mit­ar­bei­ters zu einem Semi­nar. Soweit nichts Unge­wöhn­li­ches. Die E‑Mail ent­hielt in der Emp­fän­ger Zei­le jedoch mehr als 270 Emp­fän­ger­adres­sen von Per­so­nen, die eben­falls ein­ge­la­den wor­den waren. Dass der ein oder ande­re hier­über not amu­sed war, zeig­te sich dar­in, dass in der Fol­ge Reak­tio­nen über den unge­woll­ten „Ver­tei­ler“ ver­schickt wur­den wie bei­spiels­wei­se

[pullquote]Schon etwas unpro­fes­sio­nell alle Per­so­nen CC anzuschreiben[/pullquote] oder [pullquote]Unprofessionell? Das ist schlicht weg illegal….[/pullquote]

Wir haben es etwas gelas­se­ner gese­hen und ein Nach­se­hen mit dem Absen­der. Wo Men­schen arbei­ten pas­sie­ren nun ein­mal hin und wie­der der­ar­ti­ge Flüch­tig­keits­feh­ler – auch wenn mich schon sehr ver­wun­dert, dass ein der­art gro­ßer Such­ma­schi­nen­be­trei­ber in Anbe­tracht sei­nes Rufes als Daten­kra­ke nicht schon rein vor­sorg­lich alle nur erdenk­li­chen tech­ni­schen Schutz­me­cha­nis­men ergrif­fen hat, um ein sol­ches vor­her­seh­ba­re mensch­li­che Ver­se­hen von vor­ne­her­ein aus­zu­schlie­ßen.

Wie dem auch sei: eine knap­pe hal­be Stun­de spä­ter erreich­te uns dann auch eine Ent­schul­di­gungs-Mail des betref­fen­den Mit­ar­bei­ters – die­ses Mal jedoch ohne 270 E‑Mail-Adres­sen im Hea­der. Akte geschlos­sen.

Der Bundestag und der Skandal um die Vorratsdathyspeicherung

Im Fall Edathy soll die BVerschlusssacheundes­tags­ver­wal­tung dem LKA Nie­der­sach­sen die auf dem Bun­des­tags­ser­ver gespei­cher­ten Ver­kehrs­da­ten des ehe­ma­li­gen Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten zugäng­lich gemacht haben. Dar­über hin­aus sol­len den Ermitt­lern auch Goog­le-Such­wör­ter und die Adres­sen ein­zel­ner von Edathy in den letz­ten Mona­ten besuch­ter Web­sei­ten über­mit­telt wor­den sein.

Unab­hän­gig davon, ob Spei­che­rung und Wei­ter­ga­be an die Poli­zei recht­mä­ßig waren oder nicht, zeigt der Fall, dass selbst der Bun­des­tag nicht vor einer Vor­rats­da­ten­spei­che­rung gefeit ist. Unmen­gen an Daten sol­len dabei erfasst und gespei­chert wor­den sein. Dar­un­ter auch Nut­zer­da­ten zu auf­ge­ru­fe­nen Web­sei­ten, benutz­ten Such­be­grif­fen oder her­un­ter­ge­la­de­nen Datei­en.

Der offi­zi­el­len Begrün­dung nach war die bun­des­tags­in­ter­ne Vor­rats­da­ten­spei­che­rung „zum Zwe­cke des tech­ni­schen Sup­ports oder der Feh­ler­be­he­bung“ ein­ge­rich­tet wor­den und soll­te die Daten zu die­sem Zweck drei Mona­te lang vor­hal­ten. Wer genau mit den gespei­cher­ten Daten sup­por­tet wer­den soll­te, ist nicht über­lie­fert.

Betrof­fen sind alle der 631 Abge­ord­ne­ten, ihre Mit­ar­bei­ter sowie die gesam­te Ver­wal­tung des Bun­des­tags. Neben der Netz­werk­nut­zung inner­halb des Par­la­ments dürf­ten auch Ver­kehrs­da­ten erfasst wor­den sein, wenn sich die Par­la­men­ta­ri­er oder ande­re berech­tig­te Per­so­nen mit ihren Bun­des­tags­lap­tops – bewusst oder unbe­wusst – per VPN-Ver­bin­dung über die Ser­ver des Bun­des­tags in das Inter­net oder das inter­ne Netz­werk des Bun­des­tags ein­ge­wählt haben. Die Vor­stel­lung, dass Drit­te erfah­ren könn­ten, was man in den letz­ten Mona­ten so alles über sei­nen Dienst­com­pu­ter gegoo­gelt oder auf wel­chen Web­sei­ten man sich wann wie lan­ge her­um­ge­trie­ben hat, könn­te den ein oder ande­ren Abge­ord­ne­ten durch­aus ins Schwit­zen brin­gen. Dabei muss es nicht unbe­dingt um schlüpf­ri­ge Din­ge gehen. Denn auch Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te unter­lie­gen in eini­gen Punk­ten einer Ver­schwie­gen­heits­pflicht und haben dar­über hin­aus in der Regel kein Inter­es­se dar­an, Drit­ten ihre par­la­men­ta­ri­sche Ent­schei­dungs­fin­dung zu offen­ba­ren.

Dass eine der­ar­ti­ge bun­des­tags­in­ter­ne Vor­rats­da­ten­spei­che­rung über die ver­gan­ge­nen Jah­re hin­weg mehr oder weni­ger unbe­merkt blieb, ver­wun­dert in Anbe­tracht der Tat­sa­che, dass man im Par­la­ment sonst recht sen­si­bel in punk­to Daten­schutz ist, doch ein wenig. So ent­hält die Geheim­schutz­ord­nung des Deut­schen Bun­des­ta­ges (Anla­ge 3 zur Geschäfts­ord­nung) aus­drück­li­che Vor­schrif­ten, wor­auf bei­spiels­wei­se im Umgang mit Ver­schluss­sa­chen zu ach­ten ist. Exem­pla­risch sei hier § 5 der Geheim­schutz­ver­ord­nung genannt:

[pull­quo­te]

Über Ange­le­gen­hei­ten des Geheim­hal­tungs­gra­des VS-Ver­trau­lich oder höher dür­fen Fern­ge­sprä­che nur in außer­ge­wöhn­li­chen und drin­gen­den Fäl­len geführt wer­den. In die­sen Fäl­len sind die Gesprä­che so vor­sich­tig zu füh­ren, dass der Sach­ver­halt Drit­ten nicht ver­ständ­lich wird. Ist der Gesprächs­part­ner nicht mit Sicher­heit fest­zu­stel­len, so ist ein Kon­troll­an­ruf erfor­der­lich.

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Aber auch im Bun­des­tagall­tag besteht ein der­ar­ti­ges Pro­blem­be­wusst­sein. So ist mitt­ler­wei­le der elek­tro­ni­sche Ver­kehr mit­tels ver­schlüs­sel­ter E‑Mails mit den ein­zel­nen Abge­ord­ne­ten und ihren Mit­ar­bei­tern mög­lich. Der Bun­des­tag hält dafür ein eige­nes Adress­ver­zeich­nis vor, in dem auch die öffent­li­chen Schlüs­sel der Emp­fän­ger zum Down­load bereit­ge­stellt wer­den. Mit die­sem Zer­ti­fi­kat kann man dann mit dem jewei­li­gen Emp­fän­ger im Bun­des­tag ver­schlüs­selt kom­mu­ni­zie­ren.

Es bleibt zu hof­fen, dass der klei­ne Skan­dal um die bun­des­tags­in­ter­ne Vor­rats­da­ten­spei­che­rung die Par­la­men­ta­ri­er ein wenig wei­ter dafür sen­si­bi­li­siert, wel­che Bedeu­tung Daten­si­cher­heit und Daten­schutz in unse­rer heu­ti­gen Gesell­schaft tat­säch­lich hat. In jedem Fall dürf­te aber die nächs­te Cryp­to­par­ty im Bun­des­tag wie­der bes­ser besucht sein. Wer sich abschlie­ßend noch selbst auf den Stand der Din­ge in Fra­gen der IT-(Un)Sicherheit brin­gen möch­te, fin­det in der Stel­lung­nah­me von Dr. San­dro Gay­cken vom Insti­tu­te of Com­pu­ter Sci­ence der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin zu Fra­gen des Bun­des­tags­aus­schus­ses “Digi­ta­le Agen­da” (Aus­schuss­druck­sa­che 18(24)10) einen sehr lesens­wer­ten Bei­trag, der die rele­van­ten Fra­gen prä­gnant beant­wor­tet und Auf­schluss über die aktu­el­le Lage gibt.

Mehrere Gemälde aus Gericht verschwunden

Aus­ge­rech­net im Zivil­ge­richts­ge­bäu­de der Ham­bur­ger Jus­tiz sol­len Lang­fin­ger meh­re­re Gemäl­de ent­wen­det haben, die dort im Rah­men einer Aus­stel­lung zu sehen waren. Die drei Wer­ke waren mit ande­ren Gemäl­den vom 10. April bis zum 09. Mai 2014 in der Grund­buch­hal­le des Gerichts­ge­bäu­des öffent­lich aus­ge­stellt.

Nach Ende der Aus­stel­lung stell­te man im Rah­men des Abbaus fest, dass drei der Bil­der offen­sicht­lich gestoh­len wor­den waren. Von einem Scha­den in Höhe von cir­ca € 6.000,- ist die Rede. Die betrof­fe­ne Künst­le­rin soll Medi­en­be­rich­ten zufol­ge Straf­an­zei­ge erstat­tet haben, der loka­le Rich­ter­ver­ein „ent­setzt” sein.

Das größ­te der ver­schwun­de­nen Gemäl­de (Titel “Köhl­brand­brü­cke II”) misst 1.4 mal 1.8 Meter. Allei­ne die­ses Bild unbe­merkt unter einem Man­tel ver­bor­gen aus der Aus­stel­lung zu schmug­geln, wür­de an eine wah­re Meis­ter­leis­tung gren­zen. Viel­leicht sind die Bil­der aber auch nur ver­se­hent­lich in einem Abstell­raum im Kel­ler des Gerich­tes gelan­det oder fin­den sich in der Asser­va­ten­kam­mer einer eif­ri­gen Staats­an­walt­schaft in Baye­risch-Schwa­ben wie­der.

Wir drü­cken der Künst­le­rin jeden­falls die Dau­men, dass sie ihre Wer­ke zurück­er­langt.

Hamburg: Knast für Schulschwänzer

Seit es Schu­len gibt, gibt es ver­mut­lich auch das Schwän­zen der­sel­bi­gen. Aber in Zei­ten, in denen die Zahl der noto­ri­schen Schul­schwän­zer — zumin­dest gefühlt — deut­lich zuge­nom­men hat, sind die zustän­di­gen Behör­den dazu beru­fen, gegen­zu­steu­ern. Beharr­li­ches Schu­leschwän­zen — auch “anhal­ten­de Schul­pflicht­ver­let­zung” (Büro­kra­ten­deutsch) oder “Absen­tis­mus­pro­blem” (Päd­ago­gen­deutsch) genannt — hat im ver­gan­ge­nen Jahr hier in Ham­burg ins­ge­samt 50 Jugend­li­chen einen Jugend­ar­rest ein­ge­bracht.

Rechtsabteilung

Aus­zug aus Form­blatt F9

Aller­dings führt nicht jedes Schwän­zen der Pen­ne direkt in den Knast. Das schaf­fen ver­mut­lich wirk­lich nur die här­tes­ten Kan­di­da­ten. Die Ham­bur­ger Schul­be­hör­de hat jedoch einen straf­fen Plan, mit dem sie ver­sucht, der Lage Herr zu wer­den. Sie hat dafür einen eigens zusam­men­ge­stell­ten Maß­nah­men­ka­ta­log erstellt, der nun den Leh­rern als “Richt­li­nie für den Umgang mit Schul­pflicht­ver­let­zun­gen” Hil­fe­stel­lung leis­ten soll.

Der Strauß der mög­li­chen Maß­nah­men ist bunt. Er beinhal­tet bei­spiels­wei­se zunächst ein ein­fa­ches Infor­ma­ti­ons­schrei­ben an die Eltern des Schul­schwän­zers. Wenn das nicht hilft, ist auch ein Haus­be­such mög­lich. Wie es sich für eine ordent­li­che Behör­de gehört, ist über den Haus­be­such selbst­ver­ständ­lich auf Form­blatt F5 auch ein ord­nungs­ge­mä­ßes Pro­to­koll zu füh­ren. Wird vor Ort nie­mand ange­trof­fen, soll der Haus­be­su­cher wei­te­re Ermitt­lun­gen wie bei­spiels­wei­se die Befra­gung des Haus­meis­ters oder von Nach­barn durch­füh­ren. Auch Hin­wei­sen auf die Heiz­kos­ten­ab­rech­nungs­fir­ma soll nach­ge­gan­gen wer­den.

Die letz­te Eska­la­ti­ons­stu­fe nach dem Haus­be­such und der Mel­dung an das Jugend­amt ist Form­blatt F9: die Beauf­tra­gung der Rechts­ab­tei­lung. Die­se erlässt dann einen Buß­geld­be­scheid oder lässt den Schul­be­such zwangs­wei­se durch­set­zen. Zahlt der schwän­zen­de Schü­ler ein ihm auf­er­leg­tes Buß­geld nicht, kann die­ses im Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren im Ein­zel­fall auch in einen Arrest umge­wan­delt wer­den. Dann führt der nächs­te Gang direkt auf die Gefäng­nis­in­sel Hahn­öfer­sand. Einen Aus­flug die­ser Art spen­dier­te man wie bereits ein­gangs erwähnt im Jahr 2013 ins­ge­samt 50 chro­ni­schen Absen­tis­ten. Der Auf­ent­halt der Schü­ler im Jugend­ar­rest ist aber in der Regel auf ein Schnup­per­wo­chen­en­de begrenzt.

Wer sich als Eltern­teil auf ein­fa­che Wei­se aus der Ver­ant­wor­tung steh­len möch­te und schlicht die Schul­pflicht im All­ge­mei­nen bestrei­tet, fängt sich direkt einen Antrag auf Form­blatt F9 ein.

Tätowierungen — von Schadensersatz bis zum Einstellungsverbot ist alles dabei

Das OLG Hamm hat­te sich jüngst mit der Fra­ge aus­ein­an­der­zu­set­zen, ob ein schlecht gesto­che­nes Tat­too den Täto­wie­rer zu Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet (OLG Hamm, Beschluss vom 05.03.2014 — Az. 12 U 151/13). Dabei ging es auch dar­um, ob der Täto­wie­rer sich auf sein Recht zur zwei­ten Andie­nung beru­fen kann und die Kun­din ihm folg­lich die Mög­lich­keit ein­räu­men muss, den Man­gel selbst zu besei­ti­gen. Der Man­gel lag dar­in, dass der Täto­wie­rer die Far­be in zu tie­fe Haut­schich­ten ein­ge­bracht hat­te und es dadurch um die Täto­wie­rungs­li­ni­en her­um zu unschö­nen Farb­ver­läu­fen kam. Herr Kol­le­ge Vet­ter hat­te in sei­nem Blog bereits dar­über berich­tet.

Die Vor­in­stanz hat­te der Kun­din ein Schmer­zens­geld in Höhe von € 750,- zuge­spro­chen und den Täto­wie­rer dar­über hin­aus dazu ver­ur­teilt, auch für zukünf­ti­ge Ansprü­che der Dame wegen des man­gel­haft gesto­che­nen Tat­toos ein­ste­hen zu müs­sen. Dem schloss sich das OLG Hamm voll­um­fäng­lich an. Es sei der Dame sowohl unter fach­li­chen als auch unter künst­le­ri­schen Aspek­ten nicht zumut­bar, das Tat­too noch ein­mal von dem Täto­wie­rer über­ar­bei­ten zu las­sen.

Täto­wie­run­gen beschäf­ti­gen immer wie­der die Gerich­te. Eine ein­heit­li­che Linie scheint es zwi­schen Legis­la­ti­ve, Judi­ka­ti­ve und Exe­ku­ti­ve jedoch nicht zu geben. Wäh­rend Tat­toos in der heu­ti­gen Gesell­schaft schon lan­ge sozi­al­ad­äquat sind, scheint es dies­be­züg­lich ins­be­son­de­re bei Behör­den und auch beim Gesetz­ge­ber noch eini­ge Defi­zi­te zu geben. So wer­den ins­be­son­de­re die in diver­sen behörd­li­chen Ein­stel­lungs­richt­li­ni­en ent­hal­te­nen Tat­too-Vor­schrif­ten oft viel zu eng aus­ge­legt und dem Lauf­bahn­be­wer­ber in der Fol­ge eine Ein­stel­lung ver­sagt (Bei­spiel zum Poli­zei­voll­zugs­dienst).

Aber auch der Gesetz­ge­ber hat noch einen Nach­bes­se­rungs­be­darf. Wäh­rend bei­spiels­wei­se selbst bei den risi­ko­reichs­ten Extrem­sport­ar­ten die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung bei Ver­let­zun­gen ein­springt, schränkt der Gesetz­ge­ber in § 52 Abs. 2 SGB V die Ansprü­che der Ver­si­cher­ten bei Gesund­heits­ver­let­zun­gen, die im Zusam­men­hang mit Täto­wie­run­gen (zu die­sen zählt auch das soge­nann­te Per­ma­nent Make-Up) oder Pier­cings ste­hen, erheb­lich ein:

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§ 52 Abs. 2 SGB V:
Haben sich Ver­si­cher­te eine Krank­heit durch eine medi­zi­nisch nicht indi­zier­te ästhe­ti­sche Ope­ra­ti­on, eine Täto­wie­rung oder ein Pier­cing zuge­zo­gen, hat die Kran­ken­kas­se die Ver­si­cher­ten in ange­mes­se­ner Höhe an den Kos­ten zu betei­li­gen und das Kran­ken­geld für die Dau­er die­ser Behand­lung ganz oder teil­wei­se zu ver­sa­gen oder zurück­zu­for­dern.

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Nach § 294a Abs. 2 SGB V wird der behan­deln­de Arzt dar­über hin­aus sogar aus­drück­lich ver­pflich­tet, der Kran­ken­kas­se Mel­dung zu machen, wenn allei­ne schon der Ver­dacht besteht, dass eine Ver­let­zung bezie­hungs­wei­se Krank­heit auf eine Täto­wie­rung oder ein Pier­cing zurück­zu­füh­ren ist. Auch wenn das Tat­too oder das Pier­cing nach allen Regeln der Kunst ange­fer­tigt wur­de, spielt dies für die Haf­tungs­ein­schrän­kung an sich kei­ne Rol­le, ist jedoch zumin­dest im Rah­men der Betei­li­gungs­quo­te zu berück­sich­ti­gen.