Wer braucht schon die Vorratsdatenspeicherung, wenn es doch Google gibt! Der Suchmaschinengigant hat seinem Kartendienst Google Maps ein neues Feature spendiert: die sogenannte Zeitleiste. Dies wird neben vielen Usern sicherlich auch die Strafverfolgungsbehörden freuen.
Wer ein Smartphone mit dem Betriebssystem Android sein Eigen nennt, kann sich nun bequem anzeigen lassen, wo er sich vor ein paar Tagen aufgehalten hat. Und wenn das der Handybesitzer kann, kann es natürlich auch die Polizei. Gelangt sie in den Besitz des Smartphones, haben die Ermittler Zugriff auf das komplette Bewegungsprofil des Besitzers. Einfach die App „Maps“ starten, im App-Menü den Reiter „Meine Zeitleiste“ auswählen und schon kann jeder nachsehen, wo sich der Besitzer mit seinem Telefon überall aufgehalten hat.
Der ein oder andere wird sich nun sagen: „Ich aktiviere diese Option sowieso nicht, dann kommt auch keiner an meine Daten!“. Das ist jedoch zu kurz gedacht, denn die meisten Smartphone-Besitzer dürften bei Inbetriebnahme ihres Androiden bewusst oder unbewusst in den Standorteinstellungen den Standortverlauf aktiviert haben. Das bedeutet, dass Google seit diesem Zeitpunkt fleißig die Standortdaten des Handy-Besitzers gesammelt hat. Wer seinen Google-Account also seit längerer Zeit verwendet, kann mitunter seine Bewegungsdaten sogar einige Jahre weit zurückverfolgen.
Bislang konnte sich jeder Nutzer die eigenen Stanortdaten am heimischen PC in seinem Google-Account unter „Standortverlauf“ anzeigen lassen. Mit der Integration in Google Maps lassen sich die Bewegungsdaten nun deutlich einfacher und schneller direkt auf dem Smartphone anzeigen. Dies bedeutet aber auch, dass sich die Gefahr eines unbefugten beziehungsweise unerwünschten Zugangs durch Dritte deutlich erhöht hat.
Bislang kamen Dritte so gut wie gar nicht an die auf den Servern von Google gespeicherten Daten. Die Strafverfolgungsbehörden mussten sich für einen Zugriff direkt an Google wenden und ihr Auskunftsersuchen ggf. mit einem entsprechenden Gerichtsbeschluss unterfüttern. Hier ging oft wertvolle Zeit für die Ermittler verloren. Mit der Implementierung der Zeitleiste in die App Google Maps geht dies nun deutlich einfacher. Die Ermittler müssen nur das Smartphone des Verdächtigen in die Finger bekommen und schon können sie mit wenigen Klicks überprüfen, ob der Beschuldigte zum fraglichen Zeitpunkt am Tatort war, wo er sich noch so herumgetrieben hat und wen er alles besucht hat. Im Gegensatz zu den Daten aus einer reinen Funkzellenabfrage sind die von Google erhobenen Standortdaten deutlich präziser. Meist sind sie sogar metergenau. Bei der Standortbestimmung nutzt Google nicht nur die GPS-Daten, sondern auch die in der Umgebung des Smartphones befindlichen WLAN-Netze. Dies ermöglicht auch eine Standortbestimmung in geschlossenen Gebäuden.
Die so erhobenen Daten werden ihren Eingang in Strafverfahren finden. Natürlich wird man dann über mögliche Beweisverwertungsverbote diskutieren können und müssen. Man sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die Hürden für ein Beweisverwertungsverbot hier recht hoch liegen. Dies gilt erst recht, wenn der Beschuldigte den Standortverlauf selbst aktiviert hat. Und auch wenn die Daten nicht verwertet werden dürften, sollte man sich nichts vormachen: wenn sich aus den Standortdaten ergibt, dass der Beschuldigte offensichtlich zur fraglichen Zeit am Tatort gewesen ist, wird das ein oder andere Gericht im Falle eines Beweisverwertungsverbots versucht sein, den übrigen Indiztatsachen plötzlich ein so starkes Gewicht beizumessen, dass es dennoch für eine Verurteilung ausreicht. Dagegen hilft dann allenfalls noch die nächste Instanz.
Umgekehrt könnte man natürlich auch die Unschuld eines Beschuldigten anhand der Google-Standortdaten belegen, wenn sich aus ihnen ergibt, dass der Beschuldigte zur fraglichen Zeit weit weg vom eigentlichen Tatort weilte. Hier klingen mir allerdings schon die Gegenargumente im Ohr: „Der Beschuldigte kann sein Smartphone ja von einem Komplizen in der Gegend herumtragen haben lassen, während er unter dem Deckmantel eines vermeintlichen Alibis die Tat beging!“.
Unbestritten eröffnet das Zeitleisten-Feature auch viele Vorteile. So lassen sich beispielsweise in der jährlichen Steuererklärung die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte nun schnell und unkompliziert ermitteln. Auch die Urlaubsroute aus dem letzten Sommerurlaub kann zuhause mit allen Stationen nachvollzogen werden. Dennoch sollte man sich als Smartphone-Nutzer stets bewusst sein, welche Daten das eigene Telefon sammelt und wie leicht fremde Personen Zugriff auf diese Daten erhalten können. Nicht nur zum Schutz Ihrer Standortdaten, sondern auch zum Schutz Ihrer anderen persönlichen Daten wie Telefonbucheinträgen, E‑Mails, SMS und Chatnachrichten sollten Sie unbedingt von der Möglichkeit Gebrauch machen, Ihr Smartphone zu verschlüsseln. Damit ist nicht die bloße Bildschirmsperre gemeint. Das Betriebssystem Android bietet vielmehr die Möglichkeit, die auf dem Telefon und der eingelegten Speicherkarte befindlichen Daten durch eine Verschlüsselung vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Soweit Ihr Smartphone noch nicht von Haus aus entsprechend verschlüsselt ist, sollten Sie dies umgehend nachholen. Dies gilt erst recht, wenn Sie Ihr Mobiltelefon geschäftlich nutzen.
8 thoughts on “Google Maps “Meine Zeitleiste” — So schnell zebröckelt Ihr falsches Alibi”